1Brüderchen schläft, ihr Kinder, still!
2Setzt euch ordentlich her zum Feuer!
3Hört ihr der Eule wüst Geschrill?
4Hu! im Walde ist’s nicht geheuer,
5Frommen Kindern geschieht kein Leid;
6Drückt nur immer die Lippen zu,
7Denn das böse, das lacht und schreit,
8Das holt die Eul’ und der Loup Garou.
9Wißt ihr, dort, wo das Naß vom Schiefer träuft
10Und über’m Weg ’ne andre Straße läuft,
11Das nennt man Kreuzweg und da geht er um
12Bald so, bald so, doch immer falsch und stumm,
13Und immer schielend; vor dem Auge steht
14Das Weiße ihm, so hat er es verdreht.
15Dran ist er kenntlich und am Kettenschleifen,
16So trabt er, trabt, darf keinem Frommen nah’n
17Die schlimmen Leute nur, die darf er greifen
18Mit seinem langen, langen, langen Zahn.
19Schiebt das Reisig der Flamme ein,
20Puh, wie die Funken knistern und stäuben!
21Pierrot, was soll das Wackeln sein?
22Mußt ein Weilchen du ruhig bleiben,
23Gleich wird die Zeit dir Jahre lang.
24Laß doch den armen Hund in Ruh!
25Immer sind deine Händ’ im Gang,
26Denkst du denn nicht an den Loup Garou?
27Vom reichen Kaufmann hab’ ich euch erzählt,
28Der seine dürst’gen Schuldner so gequält,
29Und kam mit sieben Säcken von Bagneres,
30Vier von Juwelen, drei von Golde schwer;
31Wie er aus Geiz den schlimmen Führer nahm,
32Und ihm das Unthier auf den Nacken kam.
33Am Halse sah man noch der Kralle Spuren,
34Die sieben Säcke hat es weggezuckt,
35Und seine Börse auch, und seine Uhren,
36Die hat es all’ zerbissen und verschluckt.
37Schließt die Thür, es brummt im Wald!
38Als die Sonne sich heut verkrochen,
39Lag das Wetter am Riff geballt,
40Und nun hört man’s sieden und kochen.
41Ruhig, ruhig, du kleines Ding!
42Hörst du? — drunten im Stalle — bu!
43Hörst du’s? Hörst du’s? kling, klang, kling,
44Schüttelt die Kette der Loup Garou.
45Doch von dem Trunkenbolde wißt ihr nicht,
46Dem in der kalten Weihnacht am Gesicht
47Das Thier gefressen, daß am heil’gen Tag
48Er wund und scheußlich über’m Schneee lag.
49Zog von der Schenke aus, in jeder Hand
50’ne Flasche, die man auch noch beide fand.
51Doch wo die Wangen sonst, da waren Knochen,
52Und wo die Augen, blut’ge Höhlen nur;
53Und wo der Schädel, hier und da zerbrochen,
54Da sah man deutlich auch der Zähne Spur.
55Wie am Giebel es knarrt und kracht?
56Caton, schau auf, die Bühne droben! —
57Aber nimm mir die Lamp’ in Acht —
58Ob vor die Lucke der Riegel geschoben.
59Pierrot, Schlingel, das rutscht herab
60Von der Bank, ohne Strümpf’ und Schuh!
61Willst du bleiben, tapp, tipp, tapp,
62Geht auf dem Söller der Loup Garou.
63Und meine Mutter hat mir oft gesagt
64Von einem tauben Manne, hochbetagt,
65Fast hundertjährig, dem es noch geschehen
66Als Kind, daß er das Scheuel hat gesehen,
67Recht wie ’nen Hund, nur weiß wie Schnee und ganz
68Verkehrt die Augen, eingeklemmt den Schwanz,
69Und spannenlang die Zunge aus dem Schlunde,
70So mit der Kette weg an Waldes Bord,
71Dann wieder sah er ihn im Tobelgrunde,
72Und wieder sah er hin, — da war er fort.
73Hab’ ich es nicht gedacht? es schneit!
74Ho, wie fliegen die Flocken am Fenster!
75Heilige Frau von Embrun, wer heut
76Draußen wandelt, braucht keine Gespenster;
77Irrlicht ist ihm die Nebelsäul’,
78Führt ihn schwankend dem Abgrunde zu,
79Sturmes Flügel die Todteneul’,
80Und der Tobel sein Loup Garou.