1Das ist die zierliche Kleine,
2Die geht auf ihren Pantöffelein
3Behend und mutterseelen allein
4Durch die Gassen im Mondenscheine.
5Sie geht in ein alt verfallenes Haus;
6Im Flur ist die Tafel gedecket,
7Da tanzt vor dem Monde die Maus mit der Maus,
8Da setzt sich das Kind mit den Mäusen zu Schmaus,
9Die Tellerlein werden gelecket.
10Und leer sind die Schüsseln; die Mäuslein im Nu
11Verrascheln in Mauer und Holze;
12Nun läßt es dem Mägdlein auch länger nicht Ruh,
13Sie schüttelt ihr Kleidchen, sie schnürt sich die Schuh,
14Dann tritt sie einher mit Stolze.
15Es leuchtet ein Spiegel aus goldnem Gestell,
16Da schaut sie hinein mit Lachen;
17Gleich schaut auch heraus ein Mägdelein hell,
18Das ist ihr einziger Spielgesell;
19Nun woll'n sie sich lustig machen.
20Sie nickt voll Huld, ihr gehört ja das Reich;
21Da neigt sich das Spiegelkindlein,
22Da neigt sich das Kind vor dem Spiegel zugleich,
23Da neigen sich beide gar anmuthreich,
24Da lächeln die rosigen Mündlein.
25Und wie sie lächeln, so liebt sich der Fuß,
26Es rauschen die seidenen Röcklein,
27Die Händchen werfen sich Kuß um Kuß,
28Das Kind mit dem Kinde nun tanzen muß,
29Es tanzen im Nacken die Löcklein.
30Der Mond scheint voller und voller herein,
31Auf dem Estrich gaukeln die Flimmer;
32Im Takte schweben die Mägdelein,
33Bald tauchen sie tief in die Schatten hinein,
34Bald stehn sie in bläulichem Schimmer.
35Nun sinken die Glieder, nun halten sie an,
36Und athmen aus Herzens Grunde;
37Sie nahen sich schüchtern, und beugen sich dann,
38Und knien vor einander, und rühren sich an
39Mit dem zarten unschuldigen Munde.
40Doch müde werden die beiden allein
41Von all' der heimlichen Wonne;
42Sehnsüchtig flüstert das Mägdelein:
43„ich mag nicht mehr tanzen im Mondenschein,
44Ach, käme doch endlich die Sonne!“
45Sie klettert hinunter ein Trepplein schief,
46Und schleicht hinab in den Garten.
47Die Sonne schlief und die Grille schlief:
48„hier will ich sitzen im Grase tief,
49Und der Sonne will ich warten.“
50Doch als nun Morgens um Busch und Gestein
51Verhuschet das Dämmergemunkel,
52Da werden dem Kinde die Aeugelein klein;
53Sie tanzte zu lange bei Mondenschein,
54Nun schläft sie bei Sonnengefunkel.
55Nun liegt sie zwischen den Blumen dicht
56Auf grünem, blitzendem Rasen;
57Und es schauen ihr in das süße Gesicht
58Die Nachtigall und das Sonnenlicht
59Und die kleinen neugierigen Hasen.