Johann Gottfried Herder: 22. Die Wiese (1773)

1Ich ging einst einen Frühlingstag,
2Wo alles schön und lustig lag,
3Kam an ein einsam Sommerhaus,
4Ein liebes Mädchen trat heraus,
5Und weint' und ging und sang betrübt:
6»ach, wer hat je, wie ich, geliebt!«

7Sie ging die Wiese still umher,
8Und rang die Hand und seufzte schwer;
9Dann pflückte sie ein Blümchen ab,
10Wie's hie und da die Wiese gab,
11Maasliebchen, klein' Vergiß mein nicht,
12Und seufzte: »ach er liebt mich nicht!«

13Sie band die Blumen in ein Bund,
14Weint' noch einmal aus Herzensgrund:
15»vergiß mein nicht! hier bind ich dich,
16Für wen? – Maasliebchen, schaust auf mich,
17Weinst um mich! – Ja, ich bin betrübt;
18Er hat mich nicht, wie ich ihn geliebt.«

19Nun hatt' sie Busen voll und Schoos,
20Und ach! nun ward ihr Schmerz zu groß;
21Sie goß die liebe Bürd' hinab;
22Liegt, sprach sie, seyd mein sanftes Grab!
23Und sank dahin – ein stilles Ach
24Voll Lieb' und Leid ihr Herz zerbrach.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Johann Gottfried Herder (1744-1803)

* 08/25/1744 in Mohrungen, † 12/18/1803 in Weimar

männlich, geb. Herder

deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Theologe und Philosoph

(Aus: Wikidata.org)

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