Karl Henckell: Krieg dem Kriege (1896)

1Ein Dichter schrieb: »Der Krieg muß bleiben,
2Er ist notwendig, menschlich, schön!«
3Mich aber lehrt die Wahrheit schreiben
4Zum Trotz dem trügenden Getön:
5Der Krieg muß fallen und verderben,
6Er ist unmenschlich, häßlich, faul,
7An seiner Fäulnis muß er sterben,
8Wahnsinnig wie der König Saul.

9Ein Erbteil blutbefleckter Ahnen,
10Voll räuberischer Mördergier
11Begleitet er der Menschheit Bahnen
12Bis in der Gegenwart Revier.
13Er pfeift und winselt noch nach Beute,
14Verpestend unsrer Erde Flur,
15Er hüllt sich schlau in feinere Häute
16Und schleicht auf frischen Aases Spur.

17Doch ist's kein Traum mehr, ist kein Plunder
18Betörter Hoffnungsseligkeit,
19Es ist kein Wahnwitz und kein Wunder,
20Es ist ein Ziel der Wendezeit!
21Die Menschheit ward des Schlachtens müde,
22Der Selbstzerfleischung Schwertzahn bricht,
23Und Friede! klingt es, Friede, Friede!
24Von Angesicht zu Angesicht.

25Zwar kein Gebet, kein Lied der Lieder
26Beschwört das Scheusal alter Nacht,
27Die Menschheit wirft die Waffen nieder,
28Und siehe da! Es ist vollbracht.
29Wenn unser Wille Macht geworden,
30Der Wille, wahrhaft zu befrein,
31Wird ewiger Urlaub allem Morden,
32Wird Friede, Friede, Friede sein.

33Ein Dichter schrieb: »Der Krieg muß bleiben,
34Heroisch, wie er immer war,«
35Ich aber muß zur Wahrheit schreiben:
36Der Dichter ist ein Versbarbar!
37Er trügt in seiner schönen Ode,
38Weil er nicht horcht, weil er nicht lauscht,
39Wie zu der alten Menschheit Tode
40Der neuen Menschheit Taufpsalm rauscht.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Karl Henckell (1864-1929)

* 04/17/1864 in Hannover, † 07/30/1929 in Lindau

männlich, geb. Henckell

deutscher Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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