Christian Morgenstern: Der Werwolf (1892)

1Ein Werwolf eines Nachts entwich
2von Weib und Kind und sich begab
3an eines Dorfschullehrers Grab
4und bat ihn: Bitte, beuge mich!

5Der Dorfschulmeister stieg hinauf
6auf seines Blechschilds Messingknauf
7und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
8geduldig kreuzte vor dem Toten:

9»der Werwolf« – sprach der gute Mann,
10»des Weswolfs, Genitiv sodann,
11dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
12den Wenwolf, – damit hat's ein End.«

13Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
14er rollte seine Augenbälle.
15Indessen, bat er, füge doch
16zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

17Der Dorfschulmeister aber mußte
18gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
19Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
20doch »Wer« gäb's nur im Singular.

21Der Wolf erhob sich tränenblind –
22er hatte ja doch Weib und Kind!!
23Doch da er kein Gelehrter eben,
24so schied er dankend und ergeben.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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    Rezitation von
    Fritz Stavenhagen

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Author

Christian Morgenstern (1871-1914)

* 05/06/1871 in München, † 03/31/1914 in Meran

männlich, geb. Morgenstern

natürliche Todesursache - Tuberkulose

deutscher Dichter und Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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