Kurt Tucholsky: An die Berlinerin (1912)

1Mädchen, kein Casanova
2hätte dir je imponiert.
3Glaubst du vielleicht, was ein doofer
4Schwärmer von dir phantasiert?
5Sänge mit wogenden Nüstern
6Romeo, liebesbesiegt,
7würdest du leise flüstern:
8»woll mit die Pauke jepiekt –?«
9Willst du romantische Feste,
10gehst du beis Kino hin . . .
11Du bist doch Mutterns Beste,
12du, die Berlinerin –!

13Venus der Spree – wie so fleißig
14liebst du, wie pünktlich dabei!
15Zieren bis zwölf Uhr dreißig,
16Küssen bis nachts um zwei.
17Alles erledigst du fachlich,
18bleibst noch im Liebesschwur
19ordentlich, sauber und sachlich:
20Lebende Registratur!
21Wie dich sein Arm auch preßte:
22gibst dich nur her und nicht hin.
23Bist ja doch Mutterns Beste,
24du, die Berlinerin –!

25Wochentags führst du ja gerne
26Nadel und Lineal.
27Sonntags leuchten die Sterne
28preußisch-sentimental.
29Denkst du der Maulwurfstola,
30die dir dein Freund spendiert?
31Leuchtendes Vorbild der Pola!
32Wackle wie sie geziert.
33Älter wirst du. Die Reste
34gehn mit den Jahren dahin.
35Laß die mondäne Geste!
36Bist ja doch Mutterns Beste,
37du süße Berlinerin –!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Kurt Tucholsky (1890-1935)

* 01/09/1890 in Berlin, † 12/21/1935 in Göteborg

männlich, geb. Tucholsky

Suizid - Überdosis

deutscher Journalist und Schriftsteller

(Aus: Wikidata.org)

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