Gottfried Keller: Abendlied an die Natur (1854)

1Hüll ein mich in die grünen Decken,
2Mit deinem Säuseln sing mich ein,
3Bei guter Zeit magst du mich wecken
4Mit deines Tages jungem Schein!
5Ich hab mich müd in dir ergangen,
6Mein Aug ist matt von deiner Pracht;
7Nun ist mein einziges Verlangen,
8Im Traum zu ruhn, in deiner Nacht.

9Des Kinderauges freudig Leuchten
10Schon fingest du mit Blumen ein,
11Und wollte junger Gram es feuchten,
12Du scheuchtest ihn mit buntem Schein.
13Ob wildes Hassen, maßlos Lieben
14Mich zeither auch gefangen nahm:
15Doch immer bin ich Kind geblieben,
16Wenn ich zu dir ins Freie kam!

17Geliebte, die mit ew'ger Treue
18Und ew'ger Jugend mich erquickt,
19Du einz'ge Lust, die ohne Reue
20Und ohne Nachweh mich entzückt –
21Sollt ich dir jemals untreu werden,
22Dich kalt vergessen, ohne Dank,
23Dann ist mein Fall genaht auf Erden,
24Mein Herz verdorben oder krank!

25O steh mir immerdar im Rücken,
26Lieg ich im Feld mit meiner Zeit!
27Mit deinen warmen Mutterblicken
28Ruh auf mir, auch im schärfsten Streit!
29Und sollte mich das Ende finden,
30Schnell decke mich mit Rasen zu;
31O selig Sterben und Verschwinden
32In deiner stillen Herbergsruh!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Gottfried Keller (1819-1890)

* 07/19/1819 in Zürich, † 07/15/1890 in Zürich

männlich, geb. Keller

Schweizer Schriftsteller, Dichter und Maler

(Aus: Wikidata.org)

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