Gottfried Keller: Sommernacht (1845)

1Es wallt das Korn weit in die Runde,
2Und wie ein Meer dehnt es sich aus;
3Doch liegt auf seinem stillen Grunde
4Nicht Seegewürm noch andrer Graus:
5Da träumen Blumen nur von Kränzen
6Und trinken der Gestirne Schein.
7O goldnes Meer, dein friedlich Glänzen
8Saugt meine Seele gierig ein!

9In meiner Heimat grünen Talen,
10Da herrscht ein alter schöner Brauch;
11Wann hell die Sommersterne strahlen,
12Der Glühwurm schimmert durch den Strauch:
13Dann geht ein Flüstern und ein Winken,
14Das sich dem Ährenfelde naht,
15Da geht ein nächtlich Silberblinken
16Von Sicheln durch die goldne Saat.

17Das sind die Bursche, jung und wacker,
18Die sammeln sich im Feld zuhauf
19Und suchen den gereiften Acker
20Der Witwe oder Waise auf,
21Die keines Vaters, keiner Brüder
22Und keines Knechtes Hilfe weiß –
23Ihr schneiden sie den Segen nieder,
24Die reinste Lust ziert ihren Fleiß.

25Schon sind die Garben fest gebunden
26Und schön in einen Kranz gebracht;
27Wie lieblich flohn die stillen Stunden,
28Es war ein Spiel in kühler Nacht!
29Nun wird geschwärmt und hell gesungen
30Im Garbenkreis, bis Morgenduft
31Die nimmermüden, braunen Jungen
32Zur eignen schweren Arbeit ruft.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Gottfried Keller (1819-1890)

* 07/19/1819 in Zürich, † 07/15/1890 in Zürich

männlich, geb. Keller

Schweizer Schriftsteller, Dichter und Maler

(Aus: Wikidata.org)

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