Eduard Mörike: Die schöne Buche (1842)

1Ganz verborgen im Wald kenn ich ein Plätzchen, da stehet
2Eine Buche, man sieht schöner im Bilde sie nicht.
3Rein und glatt, in gediegenem Wuchs erhebt sie sich einzeln,
4Keiner der Nachbarn rührt ihr an den seidenen Schmuck.
5Rings, so weit sein Gezweig der stattliche Baum ausbreitet,
6Grünet der Rasen, das Aug still zu erquicken, umher;
7Gleich nach allen Seiten umzirkt er den Stamm in der Mitte;
8Kunstlos schuf die Natur selber dies liebliche Rund.
9Zartes Gebüsch umkränzet es erst; hochstämmige Bäume,
10Folgend in dichtem Gedräng, wehren dem himmlischen Blau.
11Neben der dunkleren Fülle des Eichbaums wieget die Birke
12Ihr jungfräuliches Haupt schüchtern im goldenen Licht.
13Nur wo, verdeckt vom Felsen, der Fußsteig jäh sich hinabschlingt,
14Lässet die Hellung mich ahnen das offene Feld.
15– Als ich unlängst einsam, von neuen Gestalten des Sommers
16Ab dem Pfade gelockt, dort im Gebüsch mich verlor,
17Führt' ein freundlicher Geist, des Hains auflauschende Gottheit,
18Hier mich zum erstenmal, plötzlich, den Staunenden, ein.
19Welch Entzücken! Es war um die hohe Stunde des Mittags,
20Lautlos alles, es schwieg selber der Vogel im Laub.
21Und ich zauderte noch, auf den zierlichen Teppich zu treten;
22Festlich empfing er den Fuß, leise beschritt ich ihn nur.
23Jetzo, gelehnt an den Stamm (er trägt sein breites Gewölbe
24Nicht zu hoch), ließ ich rundum die Augen ergehn,
25Wo den beschatteten Kreis die feurig strahlende Sonne,
26Fast gleich messend umher, säumte mit blendendem Rand.
27Aber ich stand und rührte mich nicht; dämonischer Stille,
28Unergründlicher Ruh lauschte mein innerer Sinn.
29Eingeschlossen mit dir in diesem sonnigen Zauber-
30Gürtel, o Einsamkeit, fühlt ich und dachte nur dich!

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Eduard Mörike (1804-1875)

* 09/08/1804 in Ludwigsburg, † 06/04/1875 in Stuttgart

männlich, geb. Mörike

deutscher Lyriker der Schwäbischen Schule, Erzähler und Übersetzer

(Aus: Wikidata.org)

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