Paul Fleming: 9. Auf ihrer Königl. Majestät in Schweden christseligster Gedächtnüß Todesfall (1624)

1Wenn unsrer Zeiten Lauf der alten sich noch gliche,
2und mit der Jahre Flucht nicht auch die Tugend wiche,
3die Tugend, welche sich der Dankbarkeit befleißt
4und gar ein seltner Gast in diesem Alter heißt:
5was wolte Karien von seiner Treue melden,
6so sie hat angetan dem hochgeliebten Helden,
7mit dem es gleiche lebt? Was wolt Ägypten sein
8mit aller seiner Pracht, die nunmehr gangen ein?
9Man würd' ein größer Werk bis in die Wolken führen,
10für welchem Babels Bau sich nie nicht durfte rühren,
11als solt' es prächtig sein. Es wird ein Turn erbaut,
12desgleichen unser Rom noch nie nicht hat geschaut,
13wie alt es worden ist. Die Säulen, Bäder, Gänge,
14Gemälde, Grabschriften und was mehr solch Gepränge,
15davon die Meister Ruhm, die Herren Lust gehabt,
16daran man heute noch den blöden Sinn erlabt
17im Lesen oder Sehn, die würden niedrig heißen,
18wie hoch sie wären auch. Das zwier erlöste Meißen,
19das würd' ein Wunderwerk so prächtig richten auf,
20das weder Frost, noch Glut, noch trüber Zeiten Lauf
21nicht könte reißen hin. Denn so die frommen Alten
22dem Fürsten, der sich wol fürs Vaterland gehalten,
23den Feinden widersetzt, beherzt und frisch gekämpft
24und seine Widerpart mit ernster Faust gedämpft,
25zum Zeichen seiner Treu' ein Denkmal aufgerichtet,
26wie viel, o wie viel mehr sind wir anietzt verpflichtet,
27dem Helden, der nächst Gott uns ledig hat gemacht
28und nach so strengem Dienst in erste Freiheit bracht,
29ein Werk zu seiner Ehr' und unsrer Liebe Zeichen
30zu stellen in die Welt? Was aber kan ihm gleichen?
31Was wird sein Denkmal sein? Der Brauch geht bei uns ein,
32wir können sonst mit Nichts als Worten dankbar sein.
33Daß aber gleichwol auch die Feder etwas treibe
34und dieses Helden Ruhm in etwas nur beschreibe
35(wer kan sein ganzes Lob?), so sei hier aufgesetzt,
36womit in jener Welt sich mancher Gott ergetzt,
37da man sein Grabmal hielt. Und es ist wol zu gläuben,
38ob wir die ganze Pracht schon können nicht beschreiben,
39die frommen Tugenden, des Helden Preis und Zier,
40dadurch er leben wird von ietzt bis für und für,
41die hielten diß Gepräng'. An einem schönen Orte
42ist prächtig ausgeführt ein' aufgetane Pforte
43in der Unsterbligkeit. Der Grund ist Helfenbein,
44die Säulen dichtes Gold, darein manch edler Stein
45nach Künstlers Art versetzt; der Sieg, der Lohn der Stärke,
46sitzt mitten innen, gleich zu oberst an dem Werke.
47Die Ehr' und Majestät hat sie zur Seiten stehn,
48dieweil sie dieser Frau stets pflegen nachzugehn.
49Auf Sieg folgt Ruhm und Macht. Sonst sind darauf zu schauen
50viel' Fahnen, Beut' und Raub, so zwischen diesen Frauen
51und hinter ihnen liegt. Der blasse Menschenfraß
52steht unten, hält den Pfeil und unsers Lebens Glas.
53Frau Fama gehet vor und bläst des Helden Sachen,
54die Taten, die für sich ihn herrlig können machen,
55in ganzer Gegend aus. Der ungewohnte Ton
56macht, daß das breite Land wie zittrend wird davon.
57Hierauf folgt eine Zunft von süßen Musicanten,
58verhüllet um das Häupt. Die edlen Kunstverwanten
59sind die neun Klarien: Kalliope stimmt an,
60Polymnie singt vor, Thalia, was sie kan,
61erhebt den lauten Ton, wie denn die andern alle:
62sie loben seinen Preis mit ihrem guten Schalle.
63Apollo hat das Lied selb selbsten aufgesetzt,
64das auch das Himmel-Volk fürs allerbeste schätzt.
65Die gute Sache folgt mit Unschuld und dem Glücke,
66so ihr zur Seiten gehn. Sie tragen schöne Stücke,
67die Wappen und die Zier, so unser dapfre Held
68dem rechten Herren hat hinwieder zugestellt.
69Der Glaube trägt das Gold, des Könige sich freuen,
70die Gottesfurcht die Frucht, die Freiheit hält den Leuen:
71diß war des Heldens Zier. Stark, mächtig und mit Frucht
72hat er die Weiterung des Regiments gesucht.
73Den Apfel trägt die Macht, die Adelheit die Krone,
74den Zepter Würdigkeit. Diß hat der Held zu Lohne,
75daß er durch seinen Sieg die Welt zu sich gebracht
76und das, was Fremder war, ihm untertan gemacht.
77Die ernste Gravität läßt seine Fahne fliegen.
78Die Stärke sitzt zu Roß, als wie man kämpft im Siegen,
79hat seinen Küriß an. Die neigende Gedult
80führt dieses hinter sich, was er noch nicht verschuldt
81und uns zu zeitig war, die schwarze Totenfahne.
82Das Roß, das diesem gleicht, das ihn im freien Plane
83von sich sah sinken ab, das führt die Frömmigkeit,
84die Demut geht bei her. Die Weisheit ist nicht weit,
85wie denn die Klugheit auch mit Einigkeit umgeben.
86Der Friede trägt den Schild, die Redligkeit darneben
87die ritterliche Sporn, den Helm die Wachsamkeit,
88darauf Gerechtigkeit den bloßen Degen beut
89und wiegt das Recht wol ab. Den schwerbeladnen Wagen,
90auf dem viel Raub und Zeug, dem Feind entnommen, lagen,
91begleiten Dapferkeit und unerschrockner Mut,
92Geschwindigkeit und Kraft; das adeliche Blut
93noch einen anderen, darauf war abgerissen
94ein wolverschanzter Ort, worauf sich hören ließen
95der Trompterleute Chor und Pauken, so man braucht,
96wenn es in offner Schlacht von frischem Pulver raucht.
97Nach diesem kompt ein Heer, der Ausschuß dapfrer Helden,
98von welchen man so viel itzt überall hört melden,
99die der gelobte Fürst stets um sich hatte gehn,
100und die ihm itzo noch zu seinen Diensten stehn,
101ob er schon nicht mehr da. Was soll ich ferner sagen,
102mit was für Harm und Angst, mit was für heißen Klagen
103erscheint ein guter Teil von Frauen, so für sich
104die Länder, die der Held erfreuet ritterlich,
105mit Namen zeigen an? Den Schweden, Gothen, Wenden
106ist mehr als andren weh, weil ihren dreien Ständen
107ihr Schutz, ihr Trost, ihr Heil, ihr König kommen um.
108Chur-Sachsen, Thüringen und Meissen trauren drum.
109Chur-Brandenburg klagt laut, ihr Bluts-Freund sei gefallen,
110wie Mekelburg denn auch. Man hört sie weit für Allen.
111Das Böhmen ist nicht froh, Kron' Frankreich geht betrübt,
112weil der liegt, den sie ehrt, und der sie billig liebt.
113Die Pfalz und Elsaß gehn mit traurigen Gebärden,
114Westphalen scheint, als könt' es nicht getröstet werden.
115Der Rheinstrom schleißt die Brust, und Holland trücknet ab
116die Tränen, als darzu der Fall ihm Ursach gab.
117Das Franken, Würtenberg, das hochbetrübte Schwaben
118ziehn als bekümmerte, die keinen Trost mehr haben.
119Wie wol hat er verdient, daß sein zu früher Tod
120so viel Provinzen setz' in ebengleiche Not!
121Sie wollen auch tot sein. Die königliche Leiche,
122die Leiche, die der Tod fast ist dem ganzen Reiche,
123das nunmehr nicht mehr ganz, wird fürstlich hergeführt;
124die Kühnheit und Vernunft, mit der er war geziert,
125die Vorsicht, der Verstand, die Schärfe bei dem Kriegen,
126Erfahrung, Wissenschaft und Sanftmut in den Siegen
127gehn um den Wagen her und klagen ohne Ziel
128des Helden Untergang, der alzu zeitlich fiel.
129Der Bote Gottes fleugt und setzt die grünen Blätter
130dem Helden auf das Häupt. Er war der recht' Erretter,
131der Mehrer, dem diß Laub von Rechte zugehört,
132und daß er nun auch tot darmitte wird geehrt.
133Zwo starke Ketten gehn von hinten aus dem Wagen,
134darinnen zeucht ein Heer, das man hört heftig klagen.
135Das erst' ist Frauenvolk. Die Laster, die der Held
136so gänzlich abgeschafft aus der verneuten Welt,
137der Neid, der Haß, der Zorn, die Rachgir, Sünde, Schande,
138Begierd' und Übermut ziehn all' an einem Bande.
139Betrug, Gottlosigkeit, Verzweiflung, Heuchelei,
140Gift, Abfall, Meineid, Not, Verwegung, Meuterei,
141Pracht, Hoffart, Übermut und andre viel' dergleichen
142gehn traurig hinten nach und folgen dieser Leichen.
143Die andern, die zugleich in einer Ketten stehn
144und dick in großer Zahl in keiner Ordnung gehn,
145das ist gefangen Volk, das sind bezwungne Krieger,
146die unser Josua, der allzeit werte Sieger,
147hat zu Gehorsam bracht, und aus gewohnter Gunst
148das Leben bloß verehrt. Was ferner folget sonst,
149das sind teils Frembdlinge, teils weggetriebne Leute,
150die mehr als traurig sein. Was ferner in der Weite
151noch mehr gesehen wird und doch nicht übersehn,
152das ist das Kriegesheer, dem überweh geschehn,
153daß es nun häuptlos ist. Diß ist das Leichgepränge,
154das auf diß schmale Blat gebracht ist in das Enge,
155das ihm die Tugenden zu Ehren angestelt
156und wirklich auch vollbracht in einer andern Welt,
157als wo wir Menschen sind. Wir, die wir hie noch leben,
158vermögen nichts zu tun, als daß wir Ehre geben
159dem, der sie recht verdient. Des Helden hoher Preis
160wird ewig bleiben stehn. Sein Ruhm, der wird nicht greis,
161sproßt immer jung herfür. Die Zeit, die noch wird kommen,
162so anders noch in ihr wird leben was von Frommen,
163die wird auch dankbar sein. Er hat es recht verdient,
164daß seines Namens Lob zu allen Zeiten grünt.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

Bitte prüfe den Text zunächst selbst auf Auffälligkeiten und nutze erst dann die Funktionen!

Wähle rechts unter „Einstellungen“ aus, welcher Aspekt untersucht werden soll. Unter dem Text findest du eine Erklärung zu dem ausgewählten Aspekt.

Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Paul Fleming (1609-1640)

* 10/05/1609 in Hartenstein, † 04/02/1640 in Hamburg

männlich, geb. Fleming

natürliche Todesursache - Lungenentzündung

deutscher Schriftsteller und Arzt

(Aus: Wikidata.org)

Bitte beachte unsere Hinweise zur möglichen Fehleranfälligkeit!

Gedichtanalysen zu diesem Gedicht