1Am Ruheplatz der Toten, da pflegt es still zu sein,
2Man hört nur leises Beten bei Kreuz und Leichenstein;
3Zu Döffingen war's anders, dort scholl den ganzen Tag
4Der feste Kirchhof wider von Kampfruf, Stoß und Schlag.
5Die Städter sind gekommen, der Bauer hat sein Gut
6Zum festen Ort geflüchtet und hält's in tapfrer Hut;
7Mit Spieß und Karst und Sense treibt er den Angriff ab,
8Wer tot zu Boden sinket, hat hier nicht weit ins Grab.
9Graf Eberhard der Greiner vernahm der Seinen Not,
10Schon kommt er angezogen mit starkem Aufgebot,
11Schon ist um ihn versammelt der besten Ritter Kern,
12Vom edeln Löwenbunde die Grafen und die Herrn.
13Da kommt ein reis'ger Bote vom Wolf von Wunnenstein:
14»mein Herr mit seinem Banner will Euch zu Dienste sein.«
15Der stolze Graf entgegnet: »Ich hab sein nicht begehrt,
16Er hat umsonst die Münze, die ich ihm einst verehrt.«
17Bald sieht Herr Ulrich drüben der Städte Scharen stehn,
18Von Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn,
19Da brennt ihn seine Narbe, da gärt der alte Groll:
20»ich weiß, ihr Übermüt'gen, wovon der Kamm euch schwoll.«
21Er sprengt zu seinem Vater: »Heut zahl ich alte Schuld,
22Will's Gott, erwerb ich wieder die väterliche Huld!
23Nicht darf ich mit dir speisen auf
24Doch darf ich mit dir schlagen auf
25Sie steigen von den Gaulen, die Herrn vom Löwenbund,
26Sie stürzen auf die Feinde, tun sich als Löwen kund.
27Hei! wie der Löwe Ulrich so grimmig tobt und würgt!
28Er will die Schuld bezahlen, er hat sein Wort verbürgt.
29Wen trägt man aus dem Kampfe, dort auf den Eichenstumpf?
30»gott sei mir Sünder gnädig!« – er stöhnt's, er röchelt's dumpf.
31O königliche Eiche, dich hat der Blitz zerspellt!
32O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwert gefällt!
33Da ruft der alte Recke, den nichts erschüttern kann:
34»erschreckt nicht! der gefallen, ist wie ein andrer Mann.
35Schlagt drein! Die Feinde fliehen!« – er ruft's mit Donnerlaut;
36Wie rauscht sein Bart im Winde! hei, wie der Eber haut!
37Die Städter han vernommen das seltsam list'ge Wort.
38»wer flieht?« so fragen alle, schon wankt es hier und dort.
39Das Wort hat sie ergriffen gleich einem Zauberlied,
40Der Graf und seine Ritter durchbrechen Glied auf Glied.
41Was gleißt und glänzt da droben und zuckt wie Wetterschein?
42Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein.
43Er wirft sich auf die Städter, er sprengt sich weite Bucht,
44Da ist der Sieg entschieden, der Feind in wilder Flucht.
45Im Erntemond geschah es, bei Gott, ein heißer Tag!
46Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag!
47Wie auch so mancher Schnitter die Arme sinken läßt!
48Wohl halten diese Ritter ein blutig Sichelfest.
49Noch lange traf der Bauer, der hinterm Pfluge ging,
50Auf rost'ge Degenklinge, Speereisen, Panzerring,
51Und als man eine Linde zersägt und niederstreckt,
52Zeigt sich darin ein Harnisch und ein Geripp versteckt.
53Als nun die Schlacht geschlagen und Sieg geblasen war,
54Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar:
55»hab Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus!
56Daß wir uns gütlich pflegen nach diesem harten Strauß.«
57»hei!« spricht der Wolf mit Lachen, »gefiel Euch dieser Schwank?
58Ich stritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank.
59Gut Nacht und Glück zur Reise! es steht im alten Recht.«
60Er spricht's und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht.
61Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht
62Bei seines Ulrichs Leiche, des einz'gen Sohns, verbracht.
63Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet sein Gesicht;
64Ob er vielleicht im stillen geweint, man weiß es nicht.
65Des Morgens mit dem Frühsten steigt Eberhard zu Roß,
66Gen Stuttgart fährt er wieder mit seinem reis'gen Troß,
67Da kommt des Wegs gelaufen der Zuffenhauser Hirt;
68»dem Mann ist's trüb zumute, was der uns bringen wird?«
69»ich bring Euch böse Kunde, nächt ist in unsern Trieb
70Der gleißend' Wolf gefallen, er nahm, soviel ihm lieb.«
71Da lacht der alte Greiner in seinen grauen Bart:
72»das Wölflein holt sich Kochfleisch, das ist des Wölfleins Art.«
73Sie reiten rüstig fürder, sie sehn aus grünem Tal
74Das Schloß von Stuttgart ragen, es glänzt im Morgenstrahl,
75Da kommt des Wegs geritten ein schmucker Edelknecht;
76»der Knab will mich bedünken, als ob er Gutes brächt.«
77»ich bring Euch frohe Märe: Glück zum Urenkelein!
78Antonia hat geboren ein Knäblein, hold und fein.«
79Da hebt er hoch die Hände, der ritterliche Greis:
80»der Fink hat wieder Samen, dem Herrn sei Dank und Preis!«