1Im Garten des Pfarrers von Taubenhain
2Geht's irre bei Nacht in der Laube.
3Da flüstert und stöhnt's so änstiglich;
4Da rasselt, da flattert und sträubet es sich,
5Wie gegen den Falken die Taube.
6Es schleicht ein Flämmchen am Unkenteich,
7Das flimmert und flammert so traurig.
8Da ist ein Plätzchen, da wächst kein Gras;
9Das wird vom Tau und vom Regen nicht naß;
10Da wehen die Lüftchen so schaurig. –
11Des Pfarrers Tochter von Taubenhain
12War schuldlos, wie ein Täubchen.
13Das Mädel war jung, war lieblich und fein,
14Viel ritten der Freier nach Taubenhain,
15Und wünschten Rosetten zum Weibchen. –
16Von drüben herüber, von drüben herab,
17Dort jenseits des Baches vom Hügel,
18Blinkt stattlich ein Schloß auf das Dörfchen im Thal,
19Die Mauern wie Silber, die Dächer wie Stahl,
20Die Fenster wie brennende Spiegel.
21Da trieb es der Junker von Falkenstein,
22In Hüll' und in Füll' und in Freude.
23Dem Jüngferchen lacht' in die Augen das Schloß,
24Ihm lacht' in daß Herzchen der Junker zu Roß,
25Im funkelnden Jägergeschmeide. –
26Er schrieb ihr ein Briefchen auf Seidenpapier,
27Umrändelt mit goldenen Kanten.
28Er schickt' ihr sein Bildnis, so lachend und hold,
29Versteckt in ein Herzchen von Perlen und Gold;
30Dabei war ein Ring mit Demanten. –
31»laß du sie nur reiten, und fahren und gehn!
32Laß du sie sich werben zu Schanden!
33Rosettchen, dir ist wohl was Bessers beschert.
34Ich achte des stattlichsten Ritters dich wert,
35Beliehen mit Leuten und Landen.
36Ich hab' ein gut Wörtchen zu kosen mit dir;
37Das muß ich dir heimlich vertrauen.
38D'rauf hätt' ich gern heimlich erwünschten Bescheid.
39Lieb Mädel, um Mitternacht bin ich nicht weit;
40Sei wacker und laß dir nicht grauen!
41Heut mitternacht horch auf den Wachtelgesang,
42Im Weizenfeld' hinter dem Garten.
43Ein Nachtigallmännchen wird locken die Braut,
44Mit lieblichem tief aufflötenden Laut;
45Sei wacker und laß mich nicht warten!« –
46Er kam in Mantel und Kappe vermummt,
47Er kam um die Mitternachtstunde.
48Er schlich, umgürtet mit Waffen und Wehr,
49So leise so lose, wie Nebel, einher,
50Und stillte mit Brocken die Hunde.
51Er schlug der Wachtel hellgellenden Schlag,
52Im Weizenfeld' hinter dem Garten.
53Dann lockte das Nachtigallmännchen die Braut,
54Mit lieblichem tief aufflötenden Laut;
55Und Röschen, ach! – ließ ihn nicht warten. –
56Er wußte sein Wörtchen so traulich und süß
57In Ohr und Herz ihr zu girren! –
58Ach, Liebender Glauben ist willig und zahm!
59Er sparte kein Locken, die schüchterne Scham
60Zu seinem Gelüste zu kirren.
61Er schwur sich bei allem, was heilig und hehr,
62Auf ewig zu ihrem Getreuen.
63Und als sie sich sträubte, und als er sie zog,
64Vermaß er sich teuer, vermaß er sich hoch:
65»lieb Mädel, es soll dich nicht reuen!«
66Er zog sie zur Laube, so düster und still,
67Von blühenden Bohnen umdüftet.
68Da pocht' ihr das Herzchen; da schwoll ihr die Brust;
69Da wurde vom glühenden Hauche der Lust
70Die Unschuld zu Tode vergiftet. – – –
71Bald, als auf duftendem Bohnenbeet
72Die rötlichen Blumen verblühten,
73Da wurde dem Mädel so übel und weh;
74Da bleichten die rosichten Wangen zu Schnee;
75Die funkelnden Augen verglühten.
76Und als die Schote nun allgemach
77Sich dehnt' in die Breit' und Länge;
78Als Erdbeer' und Kirsche sich rötet' und schwoll;
79Da wurde dem Mädel das Brüstchen zu voll,
80Das seidene Röckchen zu enge.
81Und als die Sichel zu Felde ging,
82Hub's an sich zu regen und strecken.
83Und als der Herbstwind über die Flur,
84Und über die Stoppel des Habers fuhr,
85Da konnte sie's nicht mehr verstecken.
86Der Vater, ein harter und zorniger Mann,
87Schalt laut die arme Rosette:
88»hast du dir erbuhlt für die Wiege das Kind,
89So hebe dich mir aus den Augen geschwind
90Und schaff' auch den Mann dir ins Bette!«
91Er schlang ihr fliegendes Haar um die Faust;
92Er hieb sie mit knotigen Riemen.
93Er hieb, das schallte so schrecklich und laut!
94Er hieb ihr die sammtene Lilienhaut
95Voll schnellender blutiger Striemen.
96Er stieß sie hinaus in der finstersten Nacht
97Bei eisigem Regen und Winden.
98Sie klimmt' am dornigen Felsen empor,
99Und tappte sich fort, bis an Falkensteins Thor,
100Dem Liebsten ihr Leid zu verkünden. –
101»o weh mir daß du mich zur Mutter gemacht,
102Bevor du mich machtest zum Weibe!
103Sieh her! Sieh her! Mit Jammer und Hohn
104Trag' ich dafür nun den schmerzlichen Lohn,
105An meinem zerschlagenen Leibe!«
106Sie warf sich ihm bitterlich schluchzend ans Herz;
107Sie bat, sie beschwur ihn mit Zähren:
108»o mach' es nun gut, was du übel gemacht!
109Bist du es, der so mich in Schande gebracht,
110So bring' auch mich wieder zu Ehren!« –
111»arm Närrchen, versetzt' er, daß thut mir ja leid!
112Wir wollens am Alten schon rächen.
113Erst gib dich zufrieden und harre bei mir!
114Ich will dich schon hegen und pflegen allhier.
115Dann wollen wir's ferner besprechen.« –
116»ach, hier ist kein Säumen, kein Pflegen, noch Ruh'n!
117Das bringt mich nicht wieder zu Ehren.
118Hast du einst treulich geschworen der Braut,
119So laß auch an Gottes Altare nun laut
120Vor Priester und Zeugen es hören!« –
121»ho, Närrchen, so hab' ich es nimmer gemeint!
122Wie kann ich zum Weibe dich nehmen?
123Ich bin ja entsprossen aus adligem Blut.
124Nur Gleiches zu Gleichem gesellet sich gut;
125Sonst müßte mein Stamm sich ja schämen.
126Lieb Närrchen, ich halte dir's, wie ich's gemeint:
127Mein Liebchen sollst immerdar bleiben.
128Und wenn dir mein wackerer Jäger gefällt,
129So lass' ich's mir kosten ein gutes Stück Geld.
130Dann können wir's ferner noch treiben.« –
131»daß Gott dich! – du schändlicher, bübischer Mann! –
132Daß Gott dich zur Hölle verdamme! –
133Entehr' ich als Gattin dein adliges Blut,
134Warum denn, o Bösewicht, war ich einst gut,
135Für deine unehrliche Flamme? –
136So geh dann und nimm dir ein adliges Weib! –
137Das Blättchen soll schrecklich sich wenden!
138Gott siehet und höret und richtet uns recht.
139So müsse dereinst dein niedrigster Knecht
140Das adlige Bette dir schänden! –
141Dann fühle, Verräter, dann fühle wie's thut,
142An Ehr' und an Glück zu verzweifeln!
143Dann stoß' an die Mauer die schändliche Stirn,
144Und jag' eine Kugel dir fluchend durch's Hirn!
145Dann, Teufel, dann fahre zu Teufeln!« –
146Sie riß sich zusammen, sie raffte sich auf,
147Sie rannte verzweifelnd von hinnen,
148Mit blutigen Füßen, durch Distel und Dorn,
149Durch Moor und Geröhricht, vor Jammer und Zorn
150Zerrüttet an allen fünf Sinnen.
151»wohin nun, wohin, o barmherziger Gott,
152Wohin nun auf Erden mich wenden?« –
153Sie rannte, verzweifelnd an Ehr' und an Glück,
154Und kam in den Garten der Heimat zurück,
155Ihr klägliches Leben zu enden.
156Sie taumelt', an Händen und Füßen verklomt,
157Sie kroch zur unseligen Laube;
158Und jach durchzuckte sie Weh auf Weh,
159Auf ärmlichem Lager, bestreuet mit Schnee,
160Von Reisicht und rasselndem Laube.
161Es wand ihr ein Knäbchen sich weinend vom Schoß,
162Bei wildem unsäglichen Schmerze.
163Und als das Knäbchen geboren war,
164Da riß sie die silberne Nadel vom Haar,
165Und stieß sie dem Knaben ins Herze.
166Erst, als sie vollendet die blutige That,
167Mußt' ach! ihr Wahnsinn sich enden.
168Kalt wehten Entsetzen und Grausen sie an. –
169»o Jesu, mein Heiland, was hab' ich gethan?«
170Sie wand sich das Bast von den Händen.
171Sie kratzte mit blutigen Nägeln ein Grab,
172Am schilfigen Unkengestade.
173»da ruh du, mein Armes, da ruh nun in Gott,
174Geborgen auf immer vor Elend und Spott! –
175Mich hacken die Raben vom Rade!« – –
176Das ist das Flämmchen am Unkenteich;
177Das flimmert und flammert so traurig.
178Das ist das Plätzchen, da wächst kein Gras;
179Das wird vom Tau und vom Regen nicht naß;
180Da wehen die Lüftchen so schaurig!
181Hoch hinter dem Garten von Rabenstein,
182Hoch über dem Steine vom Rade
183Blickt, hohl und düster, ein Schädel herab,
184Daß ist ihr Schädel, der blicket aufs Grab,
185Drei Spannen lang an dem Gestade.
186Allnächtlich herunter vom Rabenstein,
187Allnächtlich herunter von Rade
188Huscht bleich und molkicht ein Schattengesicht,
189Will löschen das Flämmchen, und kann es doch nicht,
190Und wimmert am Unkengestade.