Friedrich Hölderlin: Andenken (1826)

1Der Nordost weht,
2Der liebste unter den Winden
3Mir, weil er feurigen Geist
4Und gute Fahrt verheißet den Schiffern.
5Geh' aber nun und grüße
6Die schöne Garonne,
7Und die Gärten von Bourdeaux,
8Dort wo am schroffen Ufer
9Hingehet der Steg und in den Strom
10Tief fällt der Bach, darüber aber
11Hinschauet ein edel Paar
12Von Eichen und Silberpappeln!

13Noch denket das mir wohl und wie
14Die breiten Gipfel neiget
15Der Ulmwald über die Mühl',
16Im Hofe aber wächst ein Feigenbaum,
17An Feiertagen gehn
18Die braunen Frauen daselbst
19Auf seidnen Boden,
20Zur Märzenzeit,
21Wenn gleich ist Nacht und Tag,
22Und über langsamen Stegen,
23Von goldenen Träumen schwer,
24Einwiegende Lüfte ziehen.

25Es reiche aber,
26Des dunkeln Lichtes voll,
27Mir Einer den duftenden Becher,
28Damit ich ruhen möge; denn süß
29Wär' unter Schatten der Schlummer.
30Nicht ist es gut,
31Seellos vor sterblichen
32Gedanken zu seyn, doch gut
33Ist ein Gespräch und zu sagen
34Des Herzens Meinung, zu hören viel
35Von Tagen der Lieb',
36Und Thaten, welche geschahen.

37Wo aber sind die Freunde? Bellarmin
38Mit dem Gefährten? Mancher
39Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn;
40Es beginnt nehmlich der Reichthum
41Im Meere. Sie,
42Wie Mahler, bringen zusammen
43Das Schöne der Erd' und verschmähn
44Den geflügelten Krieg nicht, und
45Zu wohnen einsam, jahrlang, unter
46Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durch-
47glänzen
48Die Feiertage der Stadt,
49Und Saitenspiel und eingeborner Tanz nicht.

50Nun aber sind zu Indiern
51Die Männer gegangen,
52Dort an der luftigen Spitz'
53An Traubenbergen, wo herab
54Die Dordogne kommt
55Und zusammen mit der prächt'gen
56Garonne meerbreit
57Ausgehet der Strom. Es mehret aber
58Und giebt Gedächtniß die See
59Und die Lieb' auch heftet fleißig die Augen,
60Was bleibt aber, stiften die Dichter.

(Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Friedrich Hölderlin (1770-1843)

* 03/20/1770 in Lauffen am Neckar, † 06/07/1843 in Tübingen

männlich, geb. Q114498136

deutscher Lyriker (1770-1843)

(Aus: Wikidata.org)

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