Anastasius Grün: Lustig kommt das Schiff geschwommen Titel entspricht 1. Vers(1842)

1Lustig kommt das Schiff geschwommen,
2Hat manch' fernen Strand geküßt;
3Neuer Gast, sei uns willkommen!
4Schöner Fremdling, sei gegrüßt;

5Trägst ein Röcklein schmuck von Eichen,
6Das manch' blanke Spang' umfaßt,
7Trägst ein gutes Wanderzeichen,
8Deinen Strauß: die Flagg' am Mast!

9Sei gegrüßt in diesen Wogen,
10Hellas' Flagge, blau und weiß!
11Blau gleichwie des Himmels Bogen,
12Und wie seine Wolken weiß!

13Sieht man deinen Himmelsfarben
14Doch den theuren Kauf nicht an,
15Wie viel Helden für dich starben,
16Wie viel Blutes für dich rann!

17Ahnt im Blau der Himmelskläre
18Ihr das Frühroth, dem's entstammt?
19Und im stillen blauen Meere,
20Wie es jüngst im Sturm geflammt?

21Sieh das Schiff geschaukelt linde,
22Mit den Wimpeln fächelnd mild,
23Gleich der Wiege heit'rem Kinde,
24Das mit bunten Bändern spielt!

25Horch, was brausen jetzt für Lieder?
26Ist es eines Menschen Sang?
27Oder naht ein Sturm uns wieder,
28Dem der schwarze Fittig klang?

29Ha, das sind der Helden Lieder,
30Ha, das ist hellen'scher Sang!
31Und wohl naht der Sturm auch wieder,
32Aufbeschworen von dem Klang!

33Denn er donnert, wie's von tausend
34Klephtenbüchsen einst erscholl,
35Wie von allen Bergen brausend
36Einst der Ruf der Freiheit schwoll!

37Und er klingt wie Schwerterklirren,
38Hallt wie eh'rner Männer Gang,
39Rauscht, wie wenn die Brander schwirren
40Durch die Nacht erwartungbang.

41Jetzt des Todesengels Fächeln
42Ueber jener heil'gen Schaar!
43Jetzt des Türken letztes Röcheln,
44Schon belauscht vom Leichenaar!

45Jetzt Gedröhn, wie wenn die Feste
46Auffliegt mit gesprengtem Wall!
47Wie der heil'gen Tempelreste
48Grauser, thränenwerther Fall!

49Hellas, hast gut angeklungen
50Mit den Zungen, mit dem Schwert!
51Wahrlich, wer solch Lied gesungen,
52Ist wohl auch der Freiheit werth!

53Stolz und herrlich schwebt dir wieder
54Des Gesanges Schiff heran,
55Wehte nur vom Borde nieder
56Nicht die schwarze Trauerfahn'!

57Wär's mit Leichen nicht beladen!
58Zög' durch jeglich Tau nur nicht
59Jener rothe blut'ge Faden,
60Wie ihn Brittenbrauch sonst flicht!

61Sänger, laß dein Antlitz schauen!
62Du bist's, Knabe, lockenreich?
63Ei, wie kommt dies Lied voll Grauen
64Aus den Lippen zart und weich?

65Gleich als ob ein Aar sich schwänge
66Aus dem Lilienkelch empor!
67Gleich als ob ein Leue spränge
68Aus der Rosenlaube vor!

69Lerne statt des Blutlieds, Junge,
70Lieder, dir an Anmuth gleich,
71Noch geschmeidig ist die Zunge,
72Und die Lippen sind noch weich.

73Sing', o Hellas, andre Weisen,
74Lehr' dein Kind ein ander Lied,
75Von dem Kampf, in den das Eisen
76Gen die spröde Scholle zieht!

77Laß es klingen, wie im Thale
78Deiner Schnitter Sichelklang,
79Wie der Becher Ton beim Mahle,
80Wie von Bergen Winzersang!

81Laß es rauschen, wie am Strome
82Und in Häusern rauscht dein Fleiß,
83Laß es hallen, wie im Dome
84Der Gemeinde Dank und Preis!

85Säuselnd wie das Blattgewebe
86Jenes Kranzes dichtbelaubt,
87Welchen Oelbaum, Lorbeer, Rebe
88Schlingen, Hellas, um dein Haupt.

89Knabe, dann einst steuerst wieder
90Du als Greis wohl gen das Land,
91Singst die neuen schönern Lieder
92Unsern Enkeln vor am Strand.

93Manch ein Sang voll Segensbornes
94Deinem Munde dann entglüht,
95Wie die junge Aehre Kornes
96Zwischen zweien Lippen blüht!

97Dich umklingt gleich altem Baume
98Gold'ner Bienlein Liederschaar,
99Du auch weißt's, in deinem Raume
100Quillt's von Honig süß und klar.

101Und die Lieblichkeit der Lieder
102Ueberglänzt dein Antlitz, Greis,
103Wie auf Taygetos hernieder
104Morgenroth um schimmernd Eis.

(Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

Bitte prüfe den Text zunächst selbst auf Auffälligkeiten und nutze erst dann die Funktionen!

Wähle rechts unter „Einstellungen“ aus, welcher Aspekt untersucht werden soll. Unter dem Text findest du eine Erklärung zu dem ausgewählten Aspekt.

Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Anastasius Grün (1806-1876)

* 04/11/1806 in Ljubljana, † 09/12/1876 in Graz

männlich, geb. Grün

österreichischer Dichter und Politiker

(Aus: Wikidata.org)

Bitte beachte unsere Hinweise zur möglichen Fehleranfälligkeit!

Gedichtanalysen zu diesem Gedicht