1Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen,
2In milder Luft die weißen Wolken ziehen,
3Denk ich mit Wehmut deiner Lieb und Güte,
4Du süßes Mädchen, das so früh verblühte.
5Du liebtest nicht der Feste Lärm und Gaffen,
6Erwähltest dir daheim ein stilles Schaffen,
7Die Sorge und Geduld, das Dienen, Geben,
8Ein innigliches Nurfürandreleben.
9So teiltest du in deines Vaters Haus
10Den Himmelsfrieden deiner Seele aus.
11Bald aber kamen schwere, schwere Zeiten.
12Wir mußten dir die Lagerstatt bereiten;
13Wir sahn, wie deine lieben Wangen bleichten,
14Sahn deiner Augen wundersames Leuchten;
15Wir weinten in der Stille, denn wir wußten,
16Daß wir nun bald auf ewig scheiden mußten.
17Du klagtest nicht. Voll Milde und Erbarmen
18Gedachtest du der bittern Not der Armen,
19Gabst ihnen deine ganze kleine Habe
20Und seufztest tief, daß so gering die Gabe.
21Es war die letzte Nacht und nah das Ende;
22Wir küßten dir die zarten weißen Hände;
23Du sprachst, lebt wohl, in deiner stillen Weise,
24Und: oh, die schönen Blumen! riefst du leise.
25Dann war's vorbei. Die großen Augensterne,
26Weit, unbeweglich, starrten in die Ferne,
27Indes um deine Lippen, halbgeschlossen,
28Ein kindlichernstes Lächeln ausgegossen.
29So lagst du da, als hättest du entzückt
30Und staunend eine neue Welt erblickt.
31Wo bist du nun, du süßes Kind, geblieben?
32Bist du ein Bild im Denken deiner Lieben?
33Hast du die weißen Schwingen ausgebreitet,
34Und zogst hinauf von Engelshand geleitet
35Zu jener Gottesstadt im Paradiese,
36Wo auf der heiligstillen Blütenwiese
37Fernher in feierlichem Zug die Frommen
38Anbetend zu dem Bild des Lammes kommen?
39Wo du auch seist; im Herzen bleibst du mein.
40Was Gutes in mir lebt, dein ist's allein.