1Es gibt zwei Sorten Ratten:
2Die hungrigen und satten.
3Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
4Die hungrigen aber wandern aus.
5Sie wandern viel tausend Meilen,
6Ganz ohne Rasten und Weilen,
7Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
8Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.
9Sie klimmen wohl über die Höhen,
10Sie schwimmen wohl durch die Seen;
11Gar manche ersäuft oder bricht das Genick,
12Die lebenden lassen die toten zurück.
13Es haben diese Käuze
14Gar fürchterliche Schnäuze;
15Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
16Ganz radikal, ganz rattenkahl.
17Die radikale Rotte
18Weiß nichts von einem Gotte.
19Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
20Die Weiber sind Gemeindegut.
21Der sinnliche Rattenhaufen,
22Er will nur fressen und saufen,
23Er denkt nicht, während er säuft und frißt,
24Daß unsre Seele unsterblich ist.
25So eine wilde Ratze,
26Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
27Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
28Und wünscht aufs neue zu teilen die Welt.
29Die Wanderratten, o wehe!
30Sie sind schon in der Nähe.
31Sie rücken heran, ich höre schon
32Ihr Pfeifen – die Zahl ist Legion.
33O wehe! wir sind verloren,
34Sie sind schon vor den Toren!
35Der Bürgermeister und Senat,
36Sie schütteln die Köpfe, und keiner weiß Rat.
37Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
38Die Glocken läuten die Pfaffen.
39Gefährdet ist das Palladium
40Des sittlichen Staats, das Eigentum.
41Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
42Nicht hochwohlweise Senatsdekrete,
43Auch nicht Kanonen, viel Hundertpfünder,
44Sie helfen euch heute, ihr lieben Kinder!
45Heut helfen euch nicht die Wortgespinste
46Der abgelebten Redekünste.
47Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
48Sie springen über die feinsten Sophismen.
49Im hungrigen Magen Eingang finden
50Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
51Nur Argumente von Rinderbraten,
52Begleitet mit Göttinger Wurstzitaten.
53Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
54Behaget den radikalen Rotten
55Viel besser als ein Mirabeau
56Und alle Redner seit Cicero.