1Bei der Königswahl, wie sich versteht,
2Hatten die Esel die Majorität,
3Und es wurde ein Esel zum König gewählt.
4Doch hört, was jetzt die Chronik erzählt:
5Der gekrönte Esel bildete sich
6Jetzt ein, daß er einem Löwen glich;
7Er hing sich um eine Löwenhaut,
8Und brüllte wie ein Löwe so laut.
9Er pflegte Umgang nur mit Rossen –
10Das hat die alten Esel verdrossen.
11Bulldoggen und Wölfe waren sein Heer,
12Drob murrten die Esel noch viel mehr.
13Doch als er den Ochsen zum Kanzler erhoben,
14Vor Wut die Esel rasten und schnoben.
15Sie drohten sogar mit Revolution!
16Der König erfuhr es, und stülpte die Kron'
17Sich schnell aufs Haupt und wickelte schnell
18Sich in sein mutiges Löwenfell.
19Dann ließ er vor seines Thrones Stufen
20Die malkontenten Esel rufen,
21Und hat die folgende Rede gehalten:
22»hochmögende Esel, ihr jungen und alten!
23Ihr glaubt, daß ich ein Esel sei
24Wie ihr, ihr irrt euch, ich bin ein Leu;
25Das sagt mir jeder an meinem Hofe,
26Von der Edeldame bis zur Zofe.
27Mein Hofpoet hat ein Gedicht
28Auf mich gemacht, worin er spricht:
29›wie angeboren dem Kamele
30Der Buckel ist, ist deiner Seele
31Die Großmut des Löwen angeboren –
32Es hat dein Herz keine langen Ohren!‹
33So singt er in seiner schönsten Strophe,
34Die jeder bewundert an meinem Hofe.
35Hier bin ich geliebt; die stolzesten Pfauen
36Wetteifern, mein königlich Haupt zu krauen.
37Die Künste beschütz ich; man muß gestehn,
38Ich bin zugleich August und Mäzen.
39Ich habe ein schönes Hoftheater;
40Die Heldenrollen spielt mein Kater.
41Die Mimin Mimi, die holde Puppe,
42Und zwanzig Möpse bilden die Truppe.
43Ich hab eine Malerakademie
44Gestiftet für Affen von Genie.
45Als ihren Direktor hab ich in petto,
46Den Raffael des Hamburger Getto,
47Lehmann vom Dreckwall, zu engagieren;
48Er soll mich auch selber porträtieren.
49Ich hab eine Oper, ich hab ein Ballett,
50Wo halb entkleidet und ganz kokett
51Gar allerliebste Vögel singen
52Und höchst talentvolle Flöhe springen.
53Kapellenmeister ist Meyer-Bär,
54Der musikalische Millionär;
55Jetzt schreibt der große Bären-Meyer
56Ein Festspiel zu meiner Vermählungsfeier.
57Ich selber übe die Tonkunst ein wenig,
58Wie Friedrich der Große, der Preußenkönig.
59Er blies die Flöte, ich schlage die Laute,
60Und manches schöne Auge schaute
61Sehnsüchtig mich an, wenn ich mit Gefühl
62Geklimpert auf meinem Saitenspiel.
63Mit Freude wird einst die Königin
64Entdecken, wie musikalisch ich bin!
65Sie selbst ist eine vollkommene Stute
66Von hoher Geburt, vom reinsten Blute.
67Sie ist eine nahe Anverwandte
68Von Don Quixotes Rosinante;
69Ihr Stammbaum bezeugt, daß sie nicht minder
70Verwandt mit dem Bayard der Haimonskinder;
71Sie zählt auch unter ihren Ahnen
72Gar manchen Hengst, der unter den Fahnen
73Gottfrieds von Bouillon gewiehert hat,
74Als dieser erobert die Heilige Stadt.
75Vor allem aber durch ihre Schöne Glänzt sie!
76Wenn sie schüttelt die Mähne,
77Und wenn sie schnaubt mit den rosigen Nüstern,
78Jauchzt auf mein Herz, entzückt und lüstern –
79Sie ist die Blume und Krone der Mähren
80Und wird mir einen Kronerben bescheren.
81Ihr seht, verknüpft mit dieser Verbindung
82Ist meiner Dynastie Begründung.
83Mein Name wird nicht untergehn,
84Wird ewig in Klios Annalen bestehn.
85Die hohe Göttin wird von mir sagen,
86Daß ich ein Löwenherz getragen
87In meiner Brust, daß ich weise und klug
88Regiert und auch die Laute schlug.«
89Hier rülpste der König, doch unterbrach er
90Nicht lange die Rede, und weiter sprach er:
91»hochmögende Esel, ihr jungen und alten!
92Ich werd euch meine Gunst erhalten,
93Solang ihr derselben würdig seid.
94Zahlt eure Steuern zur rechten Zeit
95Und wandelt stets der Tugend Bahn,
96Wie weiland eure Väter getan,
97Die alten Esel! Sie trugen zur Mühle
98Geduldig die Säcke; denn ihre Gefühle,
99Sie wurzelten tief in der Religion.
100Sie wußten nichts von Revolution –
101Kein Murren entschlüpfte der dicken Lippe,
102Und an der Gewohnheit frommen Krippe
103Fraßen sie friedlich ihr tägliches Heu!
104Die alte Zeit, sie ist vorbei.
105Ihr neueren Esel seid Esel geblieben,
106Doch ohne Bescheidenheit zu üben.
107Ihr wedelt kümmerlich mit dem Schwanz,
108Doch drunter lauert die Arroganz.
109Ob eurer albernen Miene hält
110Für ehrliche Esel euch die Welt;
111Ihr seid unehrlich und boshaft dabei,
112Trotz eurer demütigen Eselei.
113Steckt man euch Pfeffer in den Steiß,
114Sogleich erhebt ihr des Eselgeschreis
115Entsetzliche Laute! Ihr möchtet zerfleischen
116Die ganze Welt, und könnt nur kreischen.
117Unsinniger Jähzorn, der alles vergißt!
118Ohnmächtige Wut, die lächerlich ist!
119Eu'r dummes Gebreie, es offenbart,
120Wie viele Tücken jeder Art,
121Wie ganz gemeine Schlechtigkeit
122Und blöde Niederträchtigkeit
123Und Gift und Galle und Arglist sogar
124In der Eselshaut verborgen war.«
125Hier rülpste der König, doch unterbrach er
126Nicht lange die Rede, und weiter sprach er:
127»hochmögende Esel, ihr jungen und alten!
128Ihr seht, ich kenne euch! Ungehalten,
129Ganz allerhöchst ungehalten bin ich,
130Daß ihr so schamlos widersinnig
131Verunglimpft habt mein Regiment.
132Auf eurem Eselsstandpunkt könnt
133Ihr nicht die großen Löwenideen
134Von meiner Politik verstehen.
135Nehmt euch in acht! In meinem Reiche
136Wächst manche Buche und manche Eiche,
137Woraus man die schönsten Galgen zimmert,
138Auch gute Stöcke. Ich rat euch, bekümmert
139Euch nicht ob meinem Schalten und Walten!
140Ich rat euch, ganz das Maul zu halten!
141Die Räsoneure, die frechen Sünder,
142Die laß ich öffentlich stäupen vom Schinder;
143Sie sollen im Zuchthaus Wolle kratzen.
144Wird einer gar von Aufruhr schwatzen
145Und Straßen entpflastern zur Barrikade –
146Ich laß ihn henken ohne Gnade.
147Das hab ich euch, Esel, einschärfen wollen!
148Jetzt könnt ihr euch nach Hause trollen.«
149Als diese Rede der König gehalten,
150Da jauchzten die Esel, die jungen und alten;
151Sie riefen einstimmig: »I-A! I-A!
152Es lebe der König! Hurra! Hurra!«