1Schach Mahomet hat gut gespeist,
2Und gut gelaunet ist sein Geist.
3Im dämmernden Garten, auf purpurnem Pfühl,
4Am Springbrunn sitzt er. Das plätschert so kühl!
5Die Diener stehen mit Ehrfurchtsmienen;
6Sein Liebling Ansari ist unter ihnen.
7Aus Marmorvasen quillt hervor
8Ein üppig brennender Blumenflor.
9Gleich Odalisken anmutiglich
10Die schlanken Palmen fächern sich.
11Es stehen regungslos die Zypressen,
12Wie himmelträumend, wie weltvergessen.
13Doch plötzlich erklingt bei Lautenklang
14Ein sanft geheimnisvoller Gesang.
15Der Schach fährt auf, als wie behext –
16»von wem ist dieses Liedes Text?«
17Ansari, an welchen die Frage gerichtet,
18Gab Antwort: »Das hat Firdusi gedichtet.«
19»firdusi?« – rief der Fürst betreten –
20»wo ist er? Wie geht es dem großen Poeten?«
21Ansari gab Antwort: »In Dürftigkeit
22Und Elend lebt er seit langer Zeit
23Zu Thus, des Dichters Vaterstadt,
24Wo er ein kleines Gärtchen hat.«
25Schach Mahomet schwieg, eine gute Weile,
26Dann sprach er: »Ansari, mein Auftrag hat Eile –
27Geh nach meinen Ställen und erwähle
28Dort hundert Maultiere und funfzig Kamele.
29Die sollst du belasten mit allen Schätzen,
30Die eines Menschen Herz ergötzen,
31Mit Herrlichkeiten und Raritäten,
32Kostbaren Kleidern und Hausgeräten
33Von Sandelholz, von Elfenbein,
34Mit güldnen und silbernen Schnurrpfeiferein,
35Kannen und Kelchen, zierlich gehenkelt,
36Lepardenfellen, groß gesprenkelt,
37Mit Teppichen, Schals und reichen Brokaten,
38Die fabriziert in meinen Staaten –
39Vergiß nicht, auch hinzuzupacken
40Glänzende Waffen und Schabracken,
41Nicht minder Getränke jeder Art
42Und Speisen, die man in Töpfen bewahrt,
43Auch Konfitüren und Mandeltorten,
44Und Pfefferkuchen von allen Sorten.
45Füge hinzu ein Dutzend Gäule,
46Arabischer Zucht, geschwind wie Pfeile,
47Und schwarze Sklaven gleichfalls ein Dutzend,
48Leiber von Erz, strapazentrutzend.
49Ansari, mit diesen schönen Sachen
50Sollst du dich gleich auf die Reise machen.
51Du sollst sie bringen nebst meinem Gruß
52Dem großen Dichter Firdusi zu Thus.«
53Ansari erfüllte des Herrschers Befehle,
54Belud die Mäuler und Kamele
55Mit Ehrengeschenken, die wohl den Zins
56Gekostet von einer ganzen Provinz.
57Nach dreien Tagen verließ er schon
58Die Residenz, und in eigner Person,
59Mit einer roten Führerfahne,
60Ritt er voran der Karawane.
61Am achten Tage erreichten sie Thus;
62Die Stadt liegt an des Berges Fuß.
63Wohl durch das Westtor zog herein
64Die Karawane mit Lärmen und Schrein.
65Die Trommel scholl, das Kuhhorn klang,
66Und lautaufjubelt Triumphgesang.
67»la Illa Il Allah!« aus voller Kehle
68Jauchzten die Treiber der Kamele.
69Doch durch das Osttor, am andern End'
70Von Thus, zog in demselben Moment
71Zur Stadt hinaus der Leichenzug,
72Der den toten Firdusi zu Grabe trug.