1Ein grauer Tag erhebt sich trüb im Osten
2Der Flur, wo jetzt Campaniens Traube reift,
3Da sehn des Gotenheeres erste Posten
4Beim Dämmerlicht, das um die Höhen streift,
5Wachfeuer fern durch Nebelmeere glosten,
6Und als Aëtius sein Schwert ergreift,
7Vernimmt er schlachtenmutig, todesbräutlich
8Das wilde Lied der Hunnenkrieger deutlich.
9Noch zweifelnd, ob er heut die Schlacht schon wage,
10Steht drüben sinnend Attila und stellt
11An seine Priester die Verhängnisfrage,
12Allein und unruhvoll in seinem Zelt –
13»die Götter künden unsre Niederlage,« –
14So sprechen die – »horch, wie die Wölfin bellt!
15Doch mit dem Tod auch büßt dein überlegner,
16Dein größter Feind, der kühnste deiner Gegner.« –
17»zur Schlacht denn!« ruft der König ohne Zagen,
18»aëtius falle! Meine Sorge soll
19Der Sieg sein. Auf, laßt an den Heerschild schlagen!
20Weckt meine Fürsten! Eine Stimm' erscholl:
21Die Geißel Gottes wird die Völker jagen,
22Bis seines Zorns gemessne Schale voll.
23Mein Speer sei's, dem zuerst ein Feind erliege;
24Wer mir nicht folgt, wer flieht, stirbt nach dem Siege!«
25Wo kornreich Land in üppiger Bewellung
26Durchströmt die Marn', erhebt gebieterisch
27Ein grüner Hügel sich in sanfter Schwellung,
28Bedeckt von Wald und niedrem Strauchgebüsch.
29Nach seines Gipfels auserles'ner Stellung
30Fliegt auf den Fahnen Löwe, Greis und Fisch;
31Bald tönt der Schlachtruf aller Nationen,
32Die zwischen Tiber, Rhein und Wolga wohnen.
33An Bannern, Waffen und Gestalt verschieden,
34Doch gleich an Wut und wilder Tapferkeit,
35Begegnen die noch nie gekannt den Frieden,
36Der großen Wandrung Völker sich im Streit,
37Des Goten Schwert, die Lanze des Gepiden,
38Des Römers Trotz, des Scythen Schnelligkeit.
39Ein Wunder ist die Schlacht, so vielgestaltig,
40An Taten wie noch nie ein Tag gewaltig.
41Auf Rossen, schnell mit kurzen, schwarzen Mähnen,
42Stürmt wütend hier das Volk der Hunnen ein,
43Den kurzen Wurfspeer zwischen ihren Zähnen,
44Geschuppten Stahl vom Rumpf bis an das Bein.
45Sie gleichen Wölfen, grinsenden Hyänen,
46Sie scheinen Pferd und Mensch zugleich zu sein;
47Den Feind begrüßen sie, mit Zähnefletschen,
48Die Keulen schleudernd, die sein Haupt zerquetschen.
49Dort fliegen Lanzen aus der Römer Gliedern
50Auf Attila's Ostgotenreiterei.
51Doch diese, statt den Angriff zu erwidern,
52Braust an dem Zug der Legion vorbei,
53Und Rache tönt aus ihren Schlachtenliedern,
54Entsetzen liegt in ihrem Feldgeschrei.
55Sie suchen über Sterbenden und Toten
56Zum Kampf das Brudervolk der Wisigoten.
57Hartnäckig, grimmig, blutig ohnegleichen
58Bis in die Nacht kämpft man mit höchster Wut;
59Hoch schwillt der Strom, kaum faßt sein Bett die Leichen.
60An beiden Ufern suchen in die Flut
61Verwundete mit Helm und Hand zu reichen
62Und trinken Freundes so wie Feindes Blut.
63Erdbeben dürften eine Welt zerstören,
64Die Kämpfer würden kaum den Donner hören.
65Zu fallen ist kein Raum, wie erzverbunden
66Stehn Mann an Mann, beseelt vom Schlachtengeist.
67Der Gote kämpft, indem er aus den Wunden
68Das feindliche Geschoß sich lachend beißt,
69Damit kein Aufschub auch nur von Sekunden
70Dem heißen Streittag seinen Arm entreißt.
71Selbst deren Odem schon der Tod vernichtet,
72Stehn noch wie lebend da mit aufgerichtet.
73Der Hunne, da die Nacht kam, war geschlagen,
74Die Schlacht entschied der tapfre Torismund.
75Doch ward auf einer Bahre schon getragen
76Theodorich, der Heergreis, todeswund.
77Sein Sohn, noch stürmend die verschanzten Wagen,
78Die Sattelburg, worin der Hunne stund,
79Schrie: »Stürmt ihr Goten, ströme Blut in Bächen!
80Den Helden, meinen Toten will ich rächen.«
81Rings um die Wagenburg trotzt undurchdringbar
82Ein Wall von Pfählen und ein Wall von Mut.
83Mit schweren Steinen, Waffen kaum erschwingbar,
84Behaupten sich die Hunnen drin voll Wut,
85Wie Leu'n in ihrer Höhle unbezwingbar,
86Ihr König höhnt: Kommt an und laßt das Blut
87Vom Knöchel steigen bis ans Wehrgehenke,
88Zur Tiber führ' ich doch mein Pferd zur Tränke!
89Des Bogens Schaft ergreift nach diesen Worten
90Sein sieggewohnter Arm, die Sehne schwirrt,
91Es tönt, als würden von der Gräber Pforten
92Die schweren Eisenriegel aufgeklirrt,
93Und rückwärts fliehend sehen Roms Cohorten
94Auf Sätteln von den Rossen abgeschirrt,
95Hoch zwischen roten Fackeln unerreichbar
96Ihn thronen einem Götzenbild vergleichbar.
97An diesem Schlachttag wurde nicht gerungen
98Um eines Purpurs, einer Krone Nichts,
99Das Schicksal hat in jedem Pfeil geklungen,
100Auf jedem Schild die Schale des Gerichts.
101Die finstre Nacht hat sich herabgeschwungen,
102Es lagen da die Toten, bar des Lichts,
103Und hie und da noch schwer aufatmend stöhnten
104Die Schwerverwundeten und Unversöhnten.
105Da rauscht einher ein Zug von schwarzen Schwänen.
106Die kreisen übers Walfeld. Wo ihr Flug
107Erschlagne trifft und toter Rosse Mähnen,
108Da schnaubt das Roß zum Streiter, den es trug,
109Es wiehert dumpf; es knirschet mit den Zähnen
110Der Mann, der seinen Gegenmann erschlug,
111Und weckt ihn auf, zum Kampf sich neu zu schicken
112Mit müdem Arm, mit todeskalten Blicken.
113Jungfrauen sind indes die Schwäne worden,
114Jungfrau'n mit blankem Schwert in dunklem Stahl;
115Sie wenden sich nach Ost, Süd, West und Norden:
116Steht auf Erschlagne, kämpft zum andernmal!
117Da murrt's: Ist noch der Gott nicht satt vom Morden?
118Walkyren, heischt ihr noch ein Leichenmahl?
119Belebt euch, Herzen, schließt euch, Todeswunden!
120Auf, Goten, Franken, auf! Wacht auf, Burgunden!
121Und aufwacht Feind auf Feind und kämpft erbittert,
122Helm über Helm und Schwert auf Schwert erschallt,
123Heerhorn und Schlachtruf tönt, Pfeil, Speerwurf splittert,
124Blut trieft herab, Panier und Helmbusch wallt,
125Schild schlägt auf Schild, die finstre Luft erzittert,
126Wie fester Boden, der von Streichen hallt;
127Der Streiter Leiber scheinen unzerstörbar,
128Kein Todesröcheln wird, kein Wehruf hörbar.
129Indes sich so die bleichen Schatten jagen,
130Verteilt mit Odin Freia Weg und Wind.
131Er spricht zu ihr: Wie stehen unsre Wagen?
132Du weißt, ich bin auf einem Auge blind.
133Nimm du, die auf der Brust die Wunde tragen,
134Und ich, die auf dem Haupt getötet sind;
135Die weißen Rosen ich und du die roten. –
136So teilten sie die Schlacht, den Sieg, die Toten.