1Fest gemauert in der Erden
2Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
3Heute muß die Glocke werden,
4Frisch, Gesellen, seid zur Hand.
5Von der Stirne heiß
6Rinnen muß der Schweiß,
7Soll das Werk den Meister loben,
8Doch der Segen kommt von oben.
9Zum Werke, das wir ernst bereiten,
10Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
11Wenn gute Reden sie begleiten,
12Dann fließt die Arbeit munter fort.
13So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
14Was durch die schwache Kraft entspringt,
15Den schlechten Mann muß man verachten,
16Der nie bedacht, was er vollbringt.
17Das ists ja, was den Menschen zieret,
18Und dazu ward ihm der Verstand,
19Daß er im innern Herzen spüret,
20Was er erschafft mit seiner Hand.
21Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
22Doch recht trocken laßt es sein,
23Daß die eingepreßte Flamme
24Schlage zu dem Schwalch hinein.
25Kocht des Kupfers Brei,
26Schnell das Zinn herbei,
27Daß die zähe Glockenspeise
28Fließe nach der rechten Weise.
29Was in des Dammes tiefer Grube
30Die Hand mit Feuers Hülfe baut,
31Hoch auf des Turmes Glockenstube
32Da wird es von uns zeugen laut.
33Noch dauern wirds in späten Tagen
34Und rühren vieler Menschen Ohr
35Und wird mit dem Betrübten klagen
36Und stimmen zu der Andacht Chor.
37Was unten tief dem Erdensohne
38Das wechselnde Verhängnis bringt,
39Das schlägt an die metallne Krone,
40Die es erbaulich weiterklingt.
41Weiße Blasen seh ich springen,
42Wohl! die Massen sind im Fluß.
43Laßts mit Aschensalz durchdringen,
44Das befördert schnell den Guß.
45Auch von Schaume rein
46Muß die Mischung sein,
47Daß vom reinlichen Metalle
48Rein und voll die Stimme schalle.
49Denn mit der Freude Feierklange
50Begrüßt sie das geliebte Kind
51Auf seines Lebens erstem Gange,
52Den es in Schlafes Arm beginnt;
53Ihm ruhen noch im Zeitenschoße
54Die schwarzen und die heitern Lose,
55Der Mutterliebe zarte Sorgen
56Bewachen seinen goldnen Morgen. –
57Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
58Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
59Er stürmt ins Leben wild hinaus,
60Durchmißt die Welt am Wanderstabe.
61Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus,
62Und herrlich, in der Jugend Prangen,
63Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
64Mit züchtigen, verschämten Wangen
65Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
66Da faßt ein namenloses Sehnen
67Des Jünglings Herz, er irrt allein,
68Aus seinen Augen brechen Tränen,
69Er flieht der Brüder wilden Reihn.
70Errötend folgt er ihren Spuren
71Und ist von ihrem Gruß beglückt,
72Das Schönste sucht er auf den Fluren,
73Womit er seine Liebe schmückt.
74O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
75Der ersten Liebe goldne Zeit,
76Das Auge sieht den Himmel offen,
77Es schwelgt das Herz in Seligkeit.
78O! daß sie ewig grünen bliebe,
79Die schöne Zeit der jungen Liebe!
80Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
81Dieses Stäbchen tauch ich ein,
82Sehn wirs überglast erscheinen,
83Wirds zum Gusse zeitig sein.
84Jetzt, Gesellen, frisch!
85Prüft mir das Gemisch,
86Ob das Spröde mit dem Weichen
87Sich vereint zum guten Zeichen.
88Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
89Wo Starkes sich und Mildes paarten,
90Da gibt es einen guten Klang.
91Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
92Ob sich das Herz zum Herzen findet!
93Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
94Lieblich in der Bräute Locken
95Spielt der jungfräuliche Kranz,
96Wenn die hellen Kirchenglocken
97Laden zu des Festes Glanz.
98Ach! des Lebens schönste Feier
99Endigt auch den Lebensmai,
100Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
101Reißt der schöne Wahn entzwei.
102Die Leidenschaft flieht!
103Die Liebe muß bleiben,
104Die Blume verblüht,
105Die Frucht muß treiben.
106Der Mann muß hinaus
107Ins feindliche Leben,
108Muß wirken und streben
109Und pflanzen und schaffen,
110Erlisten, erraffen,
111Muß wetten und wagen,
112Das Glück zu erjagen.
113Da strömet herbei die unendliche Gabe,
114Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
115Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
116Und drinnen waltet
117Die züchtige Hausfrau,
118Die Mutter der Kinder,
119Und herrschet weise
120Im häuslichen Kreise,
121Und lehret die Mädchen
122Und wehret den Knaben,
123Und reget ohn Ende
124Die fleißigen Hände,
125Und mehrt den Gewinn
126Mit ordnendem Sinn.
127Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
128Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
129Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
130Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
131Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
132Und ruhet nimmer.
133Und der Vater mit frohem Blick
134Von des Hauses weitschauendem Giebel
135Überzählet sein blühend Glück,
136Siehet der Pfosten ragende Bäume
137Und der Scheunen gefüllte Räume
138Und die Speicher, vom Segen gebogen,
139Und des Kornes bewegte Wogen,
140Rühmt sich mit stolzem Mund:
141Fest, wie der Erde Grund,
142Gegen des Unglücks Macht
143Steht mir des Hauses Pracht!
144Doch mit des Geschickes Mächten
145Ist kein ewger Bund zu flechten,
146Und das Unglück schreitet schnell.
147Wohl! Nun kann der Guß beginnen,
148Schön gezacket ist der Bruch.
149Doch, bevor wirs lassen rinnen,
150Betet einen frommen Spruch!
151Stoßt den Zapfen aus!
152Gott bewahr das Haus.
153Rauchend in des Henkels Bogen
154Schießts mit feuerbraunen Wogen.
155Wohltätig ist des Feuers Macht,
156Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
157Und was er bildet, was er schafft,
158Das dankt er dieser Himmelskraft,
159Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
160Wenn sie der Fessel sich entrafft,
161Einhertritt auf der eignen Spur
162Die freie Tochter der Natur.
163Wehe, wenn sie losgelassen
164Wachsend ohne Widerstand
165Durch die volkbelebten Gassen
166Wälzt den ungeheuren Brand!
167Denn die Elemente hassen
168Das Gebild der Menschenhand.
169Aus der Wolke
170Quillt der Segen,
171Strömt der Regen,
172Aus der Wolke, ohne Wahl,
173Zuckt der Strahl!
174Hört ihrs wimmern hoch vom Turm?
175Das ist Sturm!
176Rot wie Blut
177Ist der Himmel,
178Das ist nicht des Tages Glut!
179Welch Getümmel
180Straßen auf!
181Dampf wallt auf!
182Flackernd steigt die Feuersäule,
183Durch der Straße lange Zeile
184Wächst es fort mit Windeseile,
185Kochend wie aus Ofens Rachen
186Glühn die Lüfte, Balken krachen,
187Pfosten stürzen, Fenster klirren,
188Kinder jammern, Mütter irren,
189Tiere wimmern
190Unter Trümmern,
191Alles rennet, rettet, flüchtet,
192Taghell ist die Nacht gelichtet,
193Durch der Hände lange Kette
194Um die Wette
195Fliegt der Eimer, hoch im Bogen
196Sprützen Quellen, Wasserwogen.
197Heulend kommt der Sturm geflogen,
198Der die Flamme brausend sucht.
199Prasselnd in die dürre Frucht
200Fällt sie, in des Speichers Räume,
201In der Sparren dürre Bäume,
202Und als wollte sie im Wehen
203Mit sich fort der Erde Wucht
204Reißen, in gewaltger Flucht,
205Wächst sie in des Himmels Höhen
206Rießengroß!
207Hoffnungslos
208Weicht der Mensch der Götterstärke,
209Müßig sieht er seine Werke
210Und bewundernd untergehen.
211Leergebrannt
212Ist die Stätte,
213Wilder Stürme rauhes Bette,
214In den öden Fensterhöhlen
215Wohnt das Grauen,
216Und des Himmels Wolken schauen
217Hoch hinein.
218Einen Blick
219Nach dem Grabe
220Seiner Habe
221Sendet noch der Mensch zurück –
222Greift fröhlich dann zum Wanderstabe,
223Was Feuers Wut ihm auch geraubt,
224Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
225Er zählt die Häupter seiner Lieben,
226Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.
227In die Erd ists aufgenommen,
228Glücklich ist die Form gefüllt,
229Wirds auch schön zutage kommen,
230Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
231Wenn der Guß mißlang?
232Wenn die Form zersprang?
233Ach! vielleicht, indem wir hoffen,
234Hat uns Unheil schon getroffen.
235Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde
236Vertrauen wir der Hände Tat,
237Vertraut der Sämann seine Saat
238Und hofft, daß sie entkeimen werde
239Zum Segen, nach des Himmels Rat.
240Noch köstlicheren Samen bergen
241Wir traurend in der Erde Schoß
242Und hoffen, daß er aus den Särgen
243Erblühen soll zu schönerm Los.
244Von dem Dome,
245Schwer und bang,
246Tönt die Glocke
247Grabgesang.
248Ernst begleiten ihre Trauerschläge
249Einen Wandrer auf dem letzten Wege.
250Ach! die Gattin ists, die teure,
251Ach! es ist die treue Mutter,
252Die der schwarze Fürst der Schatten
253Wegführt aus dem Arm des Gatten,
254Aus der zarten Kinder Schar,
255Die sie blühend ihm gebar,
256Die sie an der treuen Brust
257Wachsen sah mit Mutterlust –
258Ach! des Hauses zarte Bande
259Sind gelöst auf immerdar,
260Denn sie wohnt im Schattenlande,
261Die des Hauses Mutter war,
262Denn es fehlt ihr treues Walten,
263Ihre Sorge wacht nicht mehr,
264An verwaister Stätte schalten
265Wird die Fremde, liebeleer.
266Bis die Glocke sich verkühlet,
267Laßt die strenge Arbeit ruhn,
268Wie im Laub der Vogel spielet,
269Mag sich jeder gütlich tun.
270Winkt der Sterne Licht,
271Ledig aller Pflicht
272Hört der Pursch die Vesper schlagen,
273Meister muß sich immer plagen.
274Munter fördert seine Schritte
275Fern im wilden Forst der Wandrer
276Nach der lieben Heimathütte.
277Blökend ziehen
278Heim die Schafe,
279Und der Rinder
280Breitgestirnte, glatte Scharen
281Kommen brüllend,
282Die gewohnten Ställe füllend.
283Schwer herein
284Schwankt der Wagen,
285Kornbeladen,
286Bunt von Farben
287Auf den Garben
288Liegt der Kranz,
289Und das junge Volk der Schnitter
290Fliegt zum Tanz.
291Markt und Straße werden stiller,
292Um des Lichts gesellge Flamme
293Sammeln sich die Hausbewohner,
294Und das Stadttor schließt sich knarrend.
295Schwarz bedecket
296Sich die Erde,
297Doch den sichern Bürger schrecket
298Nicht die Nacht,
299Die den Bösen gräßlich wecket,
300Denn das Auge des Gesetzes wacht.
301Heilge Ordnung, segenreiche
302Himmelstochter, die das Gleiche
303Frei und leicht und freudig bindet,
304Die der Städte Bau gegründet,
305Die herein von den Gefilden
306Rief den ungesellgen Wilden,
307Eintrat in der Menschen Hütten,
308Sie gewöhnt zu sanften Sitten
309Und das teuerste der Bande
310Wob, den Trieb zum Vaterlande!
311Tausend fleißge Hände regen,
312Helfen sich in munterm Bund,
313Und in feurigem Bewegen
314Werden alle Kräfte kund.
315Meister rührt sich und Geselle
316In der Freiheit heilgem Schutz.
317Jeder freut sich seiner Stelle,
318Bietet dem Verächter Trutz.
319Arbeit ist des Bürgers Zierde,
320Segen ist der Mühe Preis,
321Ehrt den König seine Würde,
322Ehret
323Holder Friede,
324Süße Eintracht,
325Weilet, weilet
326Freundlich über dieser Stadt!
327Möge nie der Tag erscheinen,
328Wo des rauhen Krieges Horden
329Dieses stille Tal durchtoben,
330Wo der Himmel,
331Den des Abends sanfte Röte
332Lieblich malt,
333Von der Dörfer, von der Städte
334Wildem Brande schrecklich strahlt!
335Nun zerbrecht mir das Gebäude,
336Seine Absicht hats erfüllt,
337Daß sich Herz und Auge weide
338An dem wohlgelungnen Bild.
339Schwingt den Hammer, schwingt,
340Bis der Mantel springt,
341Wenn die Glock soll auferstehen,
342Muß die Form in Stücken gehen.
343Der Meister kann die Form zerbrechen
344Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
345Doch wehe, wenn in Flammenbächen
346Das glühnde Erz sich selbst befreit!
347Blindwütend mit des Donners Krachen
348Zersprengt es das geborstne Haus,
349Und wie aus offnem Höllenrachen
350Speit es Verderben zündend aus;
351Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
352Da kann sich kein Gebild gestalten,
353Wenn sich die Völker selbst befrein,
354Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
355Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte
356Der Feuerzunder still gehäuft,
357Das Volk, zerreißend seine Kette,
358Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
359Da zerret an der Glocke Strängen
360Der Aufruhr, daß sie heulend schallt
361Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
362Die Losung anstimmt zur Gewalt.
363Freiheit und Gleichheit! hört man schallen,
364Der ruhge Bürger greift zur Wehr,
365Die Straßen füllen sich, die Hallen,
366Und Würgerbanden ziehn umher,
367Da werden Weiber zu Hyänen
368Und treiben mit Entsetzen Scherz,
369Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
370Zerreißen sie des Feindes Herz.
371Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
372Sich alle Bande frommer Scheu,
373Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
374Und alle Laster walten frei.
375Gefährlich ists, den Leu zu wecken,
376Verderblich ist des Tigers Zahn,
377Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
378Das ist der Mensch in seinem Wahn.
379Weh denen, die dem Ewigblinden
380Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
381Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
382Und äschert Städt und Länder ein.
383Freude hat mir Gott gegeben!
384Sehet! wie ein goldner Stern
385Aus der Hülse, blank und eben,
386Schält sich der metallne Kern.
387Von dem Helm zum Kranz
388Spielts wie Sonnenglanz,
389Auch des Wappens nette Schilder
390Loben den erfahrnen Bilder.
391Herein! herein!
392Gesellen alle, schließt den Reihen,
393Daß wir die Glocke taufend weihen,
394Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
395Versammle sie die liebende Gemeine.
396Und dies sei fortan ihr Beruf,
397Wozu der Meister sie erschuf!
398Hoch überm niedern Erdenleben
399Soll sie in blauem Himmelszelt
400Die Nachbarin des Donners schweben
401Und grenzen an die Sternenwelt,
402Soll eine Stimme sein von oben,
403Wie der Gestirne helle Schar,
404Die ihren Schöpfer wandelnd loben
405Und führen das bekränzte Jahr.
406Nur ewigen und ernsten Dingen
407Sei ihr metallner Mund geweiht,
408Und stündlich mit den schnellen Schwingen
409Berühr im Fluge sie die Zeit,
410Dem Schicksal leihe sie die Zunge,
411Begleite sie mit ihrem Schwunge
412Des Lebens wechselvolles Spiel.
413Und wie der Klang im Ohr vergehet,
414Der mächtig tönend ihr entschallt,
415So lehre sie, daß nichts bestehet,
416Das alles Irdische verhallt.
417Jetzo mit der Kraft des Stranges
418Wiegt die Glock mir aus der Gruft,
419Daß sie in das Reich des Klanges
420Steige, in die Himmelsluft.
421Ziehet, ziehet, hebt!
422Sie bewegt sich, schwebt,
423Freude dieser Stadt bedeute,