1Jst diß die letzte Fahrt von allen deinen Reisen?
2Und schleust du auch zugleich mit der die Augen zu?
3So müssen/
4Den so ein sanffter Tod führt zu der langen Ruh.
5Es hat noch nicht viermal das Silber ihrer Wangen
6Der Nächte Königin/ die Cynthia/ entdecket/
7Als dein geliebter Sohn den Weg vorangegangen/
8Und ihn der Parcen Hand hat in den Sarg gestreckt.
9Die Musen klagten selbst/ daß ihres Lentzens Blume
10So zeitlich untergieng. Apollo sprach: Mein Sohn/
11Der mir im Pleiß-Athen gelebt zu sonderm Ruhme/
12Muß/ ach zu strenger Schluß des Himmels! nur davon.
13Der Abzug/
14Daß nie kein frölich Tag dich ferner angeblickt.
15Der klägliche Verlust/ die blassen Todes-Kertzen
16Die haben neues Leid dir stündlich zugeschickt:
17So/ daß die Wanderschafft des Lebens dir recht bitter/
18Das grosse Rund der Welt wie eine Wüste schien:
19Von oben schwärtzet sie ein schreckliches Gewitter/
20Und unten sihet man nur Dorn und Disteln blühn.
21Noch dennoch müssen wir diß Thränen-Thal durchreisen/
22Wo bald ein tieffer Schlund uns in den Abgrund stürtzt/
23Bald auff der Seite laurt ein mörderisches Eisen/
24Bald die vergiffte Lufft das Leben uns verkürtzt.
25Und diß entspringt daher: Wir sind nur frembd’ auff Erden/
26Das Leben ist geliehn/ hier ist kein ewig Hauß;
27Wir müssen Gästen gleich in einer Herbrig werden/
28Die heute ziehen ein und morgen wieder aus.
29Ach! unsre Jahre sind doch nur ein stetes Wallen/
30Wir lauffen in der Welt wie einem Labyrinth/
31Biß daß wir Lebens-satt ermüdet niederfallen/
32Und der gequälte Leib zuletzt noch Ruhe findt.
33Wie früh’ ein Reisemann sich auffden Weg begiebet/
34Des Tages Hitz erträgt/ und sehnt sich nach der Nacht:
35So seufftzen gleichfalls wir/ durchs Creutzes Gluth geübet/
36Daß doch ein seelig Tod den Feyrabend macht.
37Nun diese süsse Rast/ das ungestörte Schlaffen
38Hast du/
39Es schreckt dich weiter nicht noch List/ noch Feindes Waffen/
40Und was sonst für Gefahr die Reisenden bestreicht.
41Wir irren hin und her in flüchtigen Gedancken/
42Da dich die Sicherheit mit ihren Flügeln deckt:
43Wir müssen uns offt selbst mit unserm Glücke zancken/
44Den tollen Wünschen ist noch Ziel noch Maß gesteckt.
45Unseelige Begier! das Reisen in die ferne/
46Das Kreutzen durch die See/ das Fahren auff dem Land/
47Gewehrt uns neue Lufft/ und weist uns frembde Sterne/
48Indessen aber seyn wir uns nicht selbst bekand.
49Es such’ ein Geitziger die Gold- und Silber-Kuchen/
50Und fisch’ umb Goa-Strand die runden Perlen aus/
51Beym Abschied wird er sich und seine Müh’ verfluchen/
52Der allenthalben war/ ist nirgends da zu Hauß.
53Es mag noch eine Welt Columbus Witz entdecken:
54Es suche Magellan mehr Strassen in der See:
55Der Menschen Geld-Durst läßt sich keinen Abgrund schrecken
56Daß er durch Gluth und Fluth nicht unerschrocken geh’.
57Ein kluger Wanderer wird niemals sich verweilen/
58Jhn hält kein prächtig Schloß und schöner Garten auf;
59Das vorgesetzte Ziel heist ihn begierig eilen/
60Er weiß daß Ruh und Lust krönt den vollbrachten Lauf.
61Ach wären wir so klug/ und blieben hier nicht kleben!
62Die Flügel der Vernunfft hemmt schnöder Wollust Leim/
63Daß sie zu ihrem GOtt sich selten recht erheben/
64Die Eitelkeit der Welt bleibt nur ihr Honigseim.
65Verkehrte Reiseude! die Laster Tugend heissen
66Und vor die Panace erkiesen das Napell.
67Wer liebet nicht den Grund vor angestrichnes gleissen?
68Ja wer verwechselt doch den Himmel umb die Höll?
69Und nach was reisen wir? nach Schätzen die vermodern/
70Nach Sitten/ die nur offt verstellen Seel’ und Geist.
71Nach Gütern/ die von uns genaue Rechnung fodern/
72Und derer Herrligkeit als wie ein Kleid zerschleust.
73Nein dieses Reisen heist uns stets zu Felde liegen/
74Und der Begierden Heer zum Kampff-Platz führen an:
75Wer ihm denckt dermaleins die Sieges-Cron zu kriegen/
76Der mache sich geschickt zur letzten Reise-Bahn.
77Die hast du
78Du legest Ehren voll itzt deinen Handel ein.
79Wie sonst von Reisenden beweglich wird gebeten/
80Daß ihr Gedächtnüß nicht vergessen möchte seyn:
81So soll auch unter uns dein ehrlich Ruhm nicht sterben/
82Der theils in Kindern lebt/ theils deine Baare ziert.
83Wer eyfrig GOtt gedient/ und läst der Nachwelt Erben/
84Versichert/ daß er ihm ein Ehren-Mahl auffführt.
85Den
86Und alter Bürger tod’ ist billich klagens werth/
87Weil Treu und Redligkeit ihr Lebens Ziel umbfasset/
88Die itzund Wildpret heist/ und schier von hinnen fährt.
89Doch dir ist wol geschehn. Rom hat den Krantz von Eichen
90Dem/ der gemeinem Heil gedienet/ auffgesetzt:
91Dir/
92Als der gemeinen Nutz sein höchstes Gut geschätzt.
93Es hofft ein Reisender die jenen einst zu schauen/
94Von denen er betrübt den letzten Abschied nimmt:
95Auch du wirst wieder sehn Freund/ Enckel/ Kinder/ Frauen/
96In derer Hertzen noch die Liebes-Flamme gimmt.
97Man pflegt abwesender Gutthaten stets zu preisen:
98Es rühmt dein gantzes Hauß/ wie du so treu gewacht.
99Dreymal beglückter Greiß! den so ein seelig Reisen
100Jtzt in Jerusalem zum Himmels-Bürger macht.
101Elende Sterdlichen! wenn ihr die Welt durchzogen/
102Und das gevierdte Rund vorwitzig angeschaut/
103So hat euch Eitelkeit und Ruhmsucht doch betrogen/
104Wo endlich euch noch selbst vor eurer Hinfahrt graut.
105Der
106Wo auf- und Untergang einander sind verwand:
107Wir arme
108Biß uns der letzte Zug führt ins