1Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Thurm.
2Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Roß,
3Springt ab und pocht ans Thor und lärmt. Sein Mantel saust
4Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
5Ein schmales Gitterfenster schimmert golden hell
6Und knarrend öffnet jetzt das Thor ein Edelmann ...
7— „Ich bin ein Knecht des Königs, als Courier geschickt
8Nach Nimes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!“
9— „Es stürmt. Mein Gast bist Dein Kleid, was kümmert's mich?
10Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Thier!“
11Der Reiter tritt in einen dunklen Ahnensaal,
12Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
13Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
14Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
15Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ...
16Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
17Und starrt in den lebend'gen Brand. Er brütet, gafft ...
18Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal ...
19Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
20Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
21Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
22Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
23Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ...
24Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
25— „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
26Drei Jahre sind's ... Auf einer Hugenottenjagd ...
27Ein fein, halsstarrig Weib ... „Wo steckt der Junker? Sprich!“
28Sie schweigt. „Bekenn!“ Sie schweigt. „Gieb ihn heraus!“
29Ich werde wild.
30Die Füße pack' ich ihr und blöße sie und strecke sie
31Tief mitten in die Glut ... „Gieb ihn heraus!“ ... Sie
32Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Thor?
33Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
34Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“
35Ein tritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast ...“
36Da sitzen sie. Die Drei in ihrer schwarzen Tracht
37Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
38Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an —
39Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
40Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
41Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm,
42Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
43Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ...
44Dem Diener folgt er taumelnd in das Thurmgemach.
45Fest riegelt er die Thür. Er prüft Pistol und Schwert.
46Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
47Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? ... Schleicht dort
48Ihn täuscht das Ohr. Vorüber wandelt Mitternacht.
49Auf seinen Lidern lastet Blei und schlummernd sinkt
50Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
51Er träumt. „Gesteh!“ Sie schweigt. „Gieb ihn heraus!“ Sie
52Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
53Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ...
54— „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!“
55Durch die Tapetenthür in das Gemach gelangt,
56Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr — ergraut,
57Dem gestern braun sich noch gekraust das Haar.
58Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
59Zersplittert liegen Aestetrümmer quer im Pfad.
60Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
61Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
62Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.
63Die dunkeln Schollen athmen kräft'gen Erdgeruch.
64Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
65Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,
66Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
67Und wißt, daß ich dem größten König eigen bin.
68Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der Andre spricht:
69„du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward
70Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mir
71Mein Weib! Und lebst! ... Mein ist die Rache, redet Gott.“