Arno Holz: 5. Nachtstück (1886)

1Längst fiel von den Bäumen
2Das letzte Blatt,
3In Schlaf und Träumen
4Liegt nun die Stadt;
5Die Fenster verdunkeln
6Sich Haus an Haus
7Und drüberhin funkeln
8Die Sterne sich aus;
9Kalt weht es vom Strom her,
10Der Eisgang kracht,
11Und drüben vom Dom her
12Dröhnt's Mitternacht.
13Ich aber schleppe mich zitternd nach Haus —
14Der Nordwind bläst die Laternen aus!

15Was half's, daß ich klagend
16Die Gassen durchlief
17Und mitleidverzagend
18„hier Rosen!“ ausrief?
19„hier Rosen, o Rosen!
20Wer kauft einen Strauß?“
21Doch die Herren Studiosen
22Lachten mich aus!
23Und keiner, keiner ....
24Daß Gott erbarm!
25O unsereiner
26Ist gar zu arm!
27Mir wanken die Kniee, mein Herzblut gerinnt —
28O Gott, mein Kind, mein armes Kind!

29In stockdunkler Kammer,
30Verhungert, verthiert!
31Schon packt mich der Jammer:
32„ach Muttchen, mich friert!
33Ach bitte, bitte
34Ein Stückchen Brot!“
35Mir ist es, als litte
36Ich gleich den Tod!
37Mir ist es, als müßte
38Ich schreien: „Fluch!“ —
39O daß ich dich küßte
40Durchs Leichentuch!
41Dann wär es vorbei und sie scharrten dich ein
42Und ich trüg es allein, o Gott, allein ....!

(Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Aus: Haider, Thomas. A Large Annotated Reference Corpus of New High German Poetry. In: Proceedings of the 2024 Joint International Conference on Computational Linguistics, Language Resources and Evaluation (LREC-COLING 2024), S. 677–683, Torino, Italia. ELRA and ICCL. 2024.)

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Dieses Gedicht könnte aus folgender Literaturepoche stammen:
Author

Arno Holz (1863-1929)

* 04/26/1863 in Kętrzyn, † 10/26/1929 in Berlin

männlich, geb. Holz

Journalist, deutscher Dichter und Dramatiker des Naturalismus (1863-1929)

(Aus: Wikidata.org)

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