1Es war ein König Milesint,
2Von dem will ich euch sagen;
3Der meuchelte sein Bruders-Kind,
4Wollte selbst die Krone tragen.
5Die Krönung ward mit Prangen
6Auf Liffey-Schloß begangen.
7O Irland! Irland! warest du so blind?
8Der König sizt um Mitternacht
9Im öden Marmorsaale,
10Er freut sich seiner neuen Pracht
11Beim einsamen Pokale;
12Er spricht zu seinem Sohne:
13„noch einmal bring' die Krone!
14Doch schau, wer hat die Pforten aufgemacht?“
15Da kommt ein seltsam Todtenspiel,
16Ein Zug mit leisen Tritten,
17Vermummte Gäste groß und viel,
18Eine Krone schwankt in Mitten;
19Es drängt sich durch die Pforte
20Mit Flüstern ohne Worte;
21Dem Könige, dem wird so geisterschwül.
22Und aus der schwarzen Menge blickt
23Ein Kind mit frischer Wunde,
24Es lächelt sterbensweh und nickt,
25Es macht im Saal die Runde,
26Es trippelt zu dem Throne,
27Es reichet eine Krone
28Dem Könige, deß Herze tief erschrickt.
29Darauf der Zug von dannen strich,
30Von Morgenluft berauschet;
31Die Kerzen flackern wunderlich,
32Der Mond am Fenster lauschet;
33Der Sohn mit Angst und Schweigen
34Zum Vater thät sich neigen, —
35Er neiget über eine Leiche sich.