1Staunend, und seltsam geblendet, betracht' ich
2Das luftige Pantheon,
3Die feierlich stummen, grau'nhaft bewegten
4Riesengestalten.
5Der dort ist Kronion, der Himmelskönig,
6Schneeweiß sind die Locken des Haupts,
7Die berühmten, olymposerschütternden Locken.
8Er hält in der Hand den erloschenen Blitz,
9In seinem Gesichte liegt Unglück und Gram,
10Und doch noch immer der alte Stolz.
11Das waren bessere Zeiten, o Zeus,
12Als du dich himmlisch ergötztest
13An Knaben und Nymphen und Hekatomben!
14Doch auch die Götter regieren nicht ewig,
15Die jungen verdrängen die alten,
16Wie du einst selber den greisen Vater
17Und deine Titanen-Oehme verdrängt,
18Jupiter Parricida!
19Auch dich erkenn' ich, stolze Here!
20Trotz all deiner eifersüchtigen Angst,
21Hat doch eine andre das Zepter gewonnen,
22Und du bist nicht mehr die Himmelskön'gin,
23Und dein großes Aug' ist erstarrt,
24Und deine Lilienarme sind kraftlos,
25Und nimmermehr trifft deine Rache
26Die gottbefruchtete Jungfrau
27Und den wunderthätigen Gottessohn.
28Auch dich erkenn' ich, Pallas Athene!
29Mit Schild und Weisheit konntest du nicht
30Abwehren das Götterverderben?
31Auch dich erkenn' ich, auch dich, Aphrodite,
32Einst die goldene! jetzt die silberne!
33Zwar schmückt dich noch immer des Gürtels Liebreiz;
34Doch graut mir heimlich vor deiner Schönheit,
35Und wollt' mich beglücken dein gütiger Leib,
36Wie andre Helden, ich stürbe vor Angst;
37Als Leichengöttin erscheinst du mir,
38Venus Libitina!
39Nicht mehr mit Liebe schaut nach dir,
40Dort, der schreckliche Ares.
41Es schaut so traurig Phöbos Apollo,
42Der Jüngling. Es schweigt seine Lei'r,
43Die so freudig erklungen beim Göttermahl.
44Noch trauriger schaut Hephaistos,
45Und wahrlich, der Hinkende! nimmermehr
46Fällt er Hebe'n in's Amt,
47Und schenkt geschäftig, in der Versammlung,
48Den lieblichen Nektar — Und längst ist erloschen
49Das unauslöschliche Göttergelächter.
50Ich hab' Euch niemals geliebt, Ihr Götter!
51Denn widerwärtig sind mir die Griechen,
52Und gar die Römer sind mir verhaßt.
53Doch heil'ges Erbarmen und schauriges Mitleid
54Durchströmt mein Herz,
55Wenn ich Euch jetzt da droben schaue,
56Verlassene Götter,
57Todte, nachtwandelnde Schatten,
58Nebelschwache, die der Wind verscheucht —
59Und wenn ich bedenke, wie feig und windig
60Die Götter sind, die Euch besiegten,
61Die neuen, herrschenden, tristen Götter.
62Die Schadenfrohen im Schafspelz der Demuth —
63O da faßt mich ein düsterer Groll,
64Und brechen möcht' ich die neuen Tempel,
65Und kämpfen für Euch, Ihr alten Götter,
66Für Euch und Eu'r gutes, ambrosisches Recht,
67Und vor Euren hohen Altären,
68Den wiedergebauten, den opferdampfenden
69Möcht' ich selber knien und beten,
70Und flehend die Arme erheben —
71Denn, immerhin, Ihr alten Götter,
72Habt Ihr's auch eh'mals, in Kämpfen der Menschen,
73Stets mit der Parthei der Sieger gehalten,
74So ist doch der Mensch großmüth'ger als Ihr,
75Und in Götterkämpfen halt' ich es jetzt
76Mit der Parthei der besiegten Götter.
77Also sprach ich, und sichtbar errötheten
78Droben die blassen Wolkengestalten,
79Und schauten mich an wie Sterbende,
80Schmerzenverklärt, und schwanden plötzlich.
81Der Mond verbarg sich eben
82Hinter Gewölk, das dunkler heranzog;
83Hochauf rauschte das Meer,
84Und siegreich traten hervor am Himmel
85Die ewigen Sterne.